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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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Schlüsselbein und seine Rippen fast schmerzlich deutlich erkennen. Denn Marshall war echt mager. Und unglücklicherweise stand ich auf magere Jungs.
    »Da ist sie ja.« Er wandte sich zu mir um. »Lange nicht gesehen.«
    Ich lächelte. Räumte mir auf dem ungemachten Bett ein Eckchen frei, um mich ihm gegenüber hinsetzen zu können. Im Zimmer herrschte Chaos; überall lagen Klamotten, Schuhe, Zeitschriften und ähnlicher Kram verstreut herum. Doch ein Gegenstand stach heraus: Auf dem Schreibtisch stand eine Schachtel mit Süßigkeiten, noch in ihrer Plastikverpackung   – eins dieser Teile, in denen mehrere Sorten einer Firma zum Probieren angeboten werden. »Was ist das denn?«, frotzelte ich. »Hast du ein Valentinsgeschenk bekommen?«
    Im nächsten Augenblick bereute ich die Frage auch schon. Schließlich war es mir egal, ob er mit jemand anderem zusammen war oder nicht. Er nahm die Zigarette, steckte sie sich in den Mund: »Im Oktober?«
    »Dann eben ein verspätetes Geschenk«, meinte ich so gleichgültig wie möglich.
    »Von meiner Mutter. Möchtest du das Teil aufmachen?« Ich schüttelte den Kopf. Er lehnte sich zurück, blies Rauch in die Luft. »Was läuft so?«
    Erneut zuckte ich die Schultern. »Nicht viel. Eigentlichbin ich auf der Suche nach Peyton. Hast du sie in letzter Zeit gesehen?«
    »Nein, eigentlich nicht.« Im Nebenzimmer begann ein Telefon zu läuten und hörte genauso unvermittelt wieder auf. »Aber ich habe ziemlich viel gearbeitet, war nicht oft hier. Auch jetzt muss ich gleich los. Mittagsschicht.«
    »Okay.« Ich nickte. Lehnte mich zurück, sah mich ziellos im Zimmer um. Stille. Plötzlich kam ich mir total bescheuert vor. Warum war ich überhaupt hergekommen? Mein lahmer Vorwand mit Peyton nützte da gar nichts. »Tja, ich sollte auch besser wieder los. Hab einen Haufen Zeugs zu erledigen.«
    »Echt?«, meinte er gedehnt, stützte die Ellbogen auf die Knie, beugte sich vor, musterte mich. »Zum Beispiel?«
    Ich machte eine ausweichende Geste und Anstalten aufzustehen. »Nichts, was du besonders spannend finden würdest.«
    »Ach nein?« Er hinderte mich am Aufstehen, indem er noch näher rückte. Seine Knie stießen an meine. »Erzähl doch einfach mal, dann werden wir ja sehen.«
    »Einkaufen«, antwortete ich.
    Er hob die Augenbrauen. »Im Ernst? Eine Woche auf der Perkins Day, und plötzlich interessierst du dich für Klamotten?«
    »Woher weißt du, dass ich jetzt auf die Perkins Day gehe?«, fragte ich.
    Marshall zuckte die Schultern. Lehnte sich wieder ein wenig zurück. »Jemand hat was in der Art erwähnt«, antwortete er.
    »Ach wirklich?«
    »Ja.« Er sah mich einen Moment lang bloß an. Dann streckte er die Hände aus, fuhr damit über meine Oberschenkelbis hin zu meinen Hüften. Beugte sich wieder vor, legte seinen Kopf in meinen Schoß. Ich strich ihm übers Haar, ließ es durch meine Finger gleiten. Er entspannte sich, so dicht bei mir. Wieder herrschte Stille. Doch für diese Stille war ich dankbar. Wir hatten keine Redebeziehung, Marshall und ich. Hatten nie viele Worte gemacht, vor allem dann nicht, wenn es riskant werden konnte, wenn zu viel auf dem Spiel stand. Wenn man zu viel zu verlieren hatte, indem man anfing zu quatschen. Aber das hier, diese Stille, die Nähe, die Berührung, das alles war mir sehr vertraut. Außerdem fühlte es sich gut an, mal wieder jemanden an mich heranzulassen. Selbst wenn es nur vorübergehend war.
    Erst später, als ich mich unter seiner Bettdecke zusammengerollt hatte und vor mich hin döste, wurde ich wieder an all das erinnert, das geschehen war, seit ich das letzte Mal hier gewesen war. Marshall machte sich für die Arbeit fertig, wühlte in seinen Sachen herum, um seinen Gürtel zu finden   – und legte plötzlich etwas auf meine Schulter, das sich auf meiner Haut kühl anfühlte. Ich streckte die Hand aus: der Schlüssel zu Coras Haus, mitsamt seinem silbernen Anhänger. Irgendwann zwischendurch musste er mir aus der Tasche gefallen sein. »Ist wahrscheinlich besser, wenn du den nicht verbummelst.« Er beugte sich vor, um sich die Schuhe zuzubinden. »Sonst kommst du nicht mehr nach Hause.«
    Ich setzte mich auf, umschloss den Schlüssel mit den Fingern. Wollte ihm gerade erklären, dass Coras Haus nicht »Zuhause« war. Dass ich nicht einmal mehr genau wusste, was das Wort bedeutete. Aber mir war klar, dass ihn das letztlich nicht interessierte. Außerdem zog er bereits sein
Sopas
- T-Shirt an, würde jede Sekunde abhauen.

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