About Ruby
Deshalbstand ich auf, fing ebenfalls an, meine Sachen zusammenzusammeln, genau so geschäftig wie er. Genauso cool. Es war nicht unbedingt nötig, dass ich als Erste ging, um den Schein zu wahren. Aber ich wollte mit Sicherheit auch nicht diejenige sein, die zurückblieb.
***
Ich war eigentlich noch nie sonderlich scharf auf Shoppen gewesen; hauptsächlich allerdings, weil es nicht im Rahmen meiner finanziellen und sonstigen Möglichkeiten lag, genauso wenig wie beispielsweise Polospielen oder Fallschirmspringen. Bevor meine Mutter mich bei
Commercial Couriers
für sich einspannte, hatte ich ein paar eigene Jobs gehabt – in fettigen Imbissbuden, als Kassiererin in Billigdrogeriemärkten (die Preise für Shampoo und Küchentücher kann ich bis heute auswendig) –, aber immer versucht, das Geld, das ich verdiente, zu sparen. Sogar damals schon hatte ich das Gefühl gehabt, es eines Tages für etwas anderes als Pullis und Lippenstifte zu brauchen. Nachdem meine Mutter sich verkrümelt hatte, konnte und musste ich eine Zeit lang von meinen Ersparnissen leben, die aber natürlich irgendwann aufgebracht waren. Und nun, da ich das Geld wirklich nötig gebraucht hätte, stand mein Konto ratzekahl auf null.
Deshalb kam es mir wahrscheinlich so überflüssig vor, Klamotten zu kaufen.
Und
ich hatte die zweihundert Mäuse in meiner Tasche abgestaubt, ohne irgendetwas dafür getan zu haben, was sich ebenfalls sehr seltsam anfühlte. Andererseits konnte ich nicht ewig die vier selben Sachen tragen. Und weil Cora sowieso schon sauer auf mich war, sollte ich tunlichst vermeiden, es so aussehen zu lassen, als hätte ich ihre Kohle eingesackt und nicht für den Zweckausgegeben, den sie im Sinn hatte. Das hätte alles bloß noch schlimmer gemacht. Deshalb zwängte ich mich nun durch die engen Gänge von einem Geschäft nach dem anderem und sichtete die Ständer mit den Sonderangeboten, während über mir Kaufhausmusik aus den Lautsprechern dröhnte.
Selbst wenn das mein Ziel gewesen wäre, wäre es mir nie gelungen, mich mit dem Budget, das mir zur Verfügung stand, der Kleiderordnung an der Perkins Day anzupassen. Was ich ja sowieso nicht wollte. Mir war in der kurzen Zeit, die ich jetzt auf diese Nobelschule ging, nämlich aufgefallen, dass die anderen Mädchen hauptsächlich teure Klamotten trugen, die – kleine Ironie des Alltags – sorgfältig und mit viel Aufwand auf billig und schäbig gemacht worden waren. Jeans für zweihundert Dollar mit Rissen und Flicken; spießige Wollpullover, aber selbstverständlich aus Kaschmir, die man möglichst lässig, um nicht zu sagen schlampig um die Hüften trug; T-Shirts von irgendwelchen Nobelmarken, die vorgebleicht und absichtlich zerschlissen wurden, damit man denken konnte, sie wären alt und abgetragen. Mal abgesehen von den Stockflecken hätte ich mir mit meinen müffeligen Klamotten aus dem gelben Haus täglich das perfekte Schul-Outfit zusammenstellen können. Doch jetzt sah ich mich gezwungen, nicht bloß neues, sondern
preiswertes
neues Zeug zu kaufen, und der Unterschied war unübersehbar. Ganz offensichtlich musste man sehr viel Geld ausgeben, um so auszusehen – und zwar auf exakt die richtige, sprich: angesagte Weise –, als wäre man der Voll-Asi.
Dennoch gelang es mir innerhalb von anderthalb Stunden, meine Schulgarderobe um ein Vielfaches aufzustocken, indem ich zwei Paar neue Jeans, einen Pullover, ein Kapuzenshirt und ein paar superbillige T-Shirts erwarb, die esglücklicherweise gerade zum einmaligen Preis von zwanzig Dollar für fünf Stück im Angebot gab. Gleichzeitig wurde ich allerdings ziemlich nervös, weil mein Bargeldvorrat sichtlich dahinschwand. Genauer gesagt, mir war regelrecht ein wenig übel, während ich durch den breiten, luftigen Mittelgang der Mall Richtung Ausgang lief, was vermutlich auch der Grund dafür war, dass mir das Schild »AUSHILFE GESUCHT« sofort ins Auge stach. Es hing seitlich an einem der vielen Wühltische vor den verschiedenen Boutiquen, die alle geschickt so platziert waren, dass man ihnen beim Vorbeischlendern gar nicht ausweichen
konnte
. Wie ein Signalfeuer zog es mich jetzt Schritt für Schritt an.
Während ich mich näherte, erkannte ich: Das Schild befand sich vor einem kleinen Schmuckladen, der nicht besetzt zu sein schien, obwohl einiges darauf hindeutete, dass sich noch vor wenigen Augenblicken jemand dort aufgehalten hatte: Auf der Theke stand ein Riesen-Smoothie-Becher, der noch mit
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