Abraham Kann Nichts Dafür. 66 Neue Satiren.
Nummer absolut Sicher gehen. Ich erwarb daher schon Monate vor dem Match einen fabelhaften Tribünensitz für die lächerliche Kleinigkeit von 7000 Shekel. Ich erkundigte mich eingehend nach einem noch teureren Platz, aber der Mann am Schalter schüttelte nur bedauernd den Kopf. Für alle Fälle zahlte ich ihm tausend Shekel drauf.
Man stelle sich also meine Betroffenheit vor, als ich mich am großen Tag durch Tor Nummer 4 zwängte, zu Block 20 stürmte, in der 8. Reihe vor dem Sitz Nummer 35 bremste – und dort, auf meinem 8ooo-Shekel-Sitz, einen blaunasigen Gewalttäter vorfand.
»Mein Herr«, sagte ich, »das ist mein Platz.«
»Na und«, antwortete der Gewalttäter unwirsch, »auf meinem Platz sitzt auch schon einer.«
»Dann schicken Sie ihn weg.«
»Wofür halten Sie mich?«
»Hinsetzen!« brüllten 80000 Fußballfans. »Hinsetzen!«
Ich sah mich um. An dem Zaun, der die Besitzer von den Besitzlosen trennt, hingen jugendliche Athleten wie Trauben. Ich sah mich hilfesuchend nach den Platzanweisern um, doch die waren auf dem Spielfeld und belagerten den brasilianischen Mittelstürmer. Es blieb mir also nichts übrig, als das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen. Ich musterte den Gewalttäter. Groß war er nicht, doch er hatte einen Durchmesser von mindestens eineinhalb Metern. Außerdem war er, wie gesagt, blaunasig.
»Da«, sagte er mitfühlend, »nehmen Sie meine Eintrittskarte und vertreiben Sie den Halunken, der auf meinem Platz sitzt.«
Ich ging schnurstracks zu Block 9, 21. Reihe, Sitz 2 und wurde mit einem stämmigen Schlächtermeister konfrontiert. Ich hielt ihm das Ticket des Gewalttäters unter die Nase und machte ihn darauf aufmerksam, daß er auf meinem Platz säße.
»So?« sagte der Schlächter. »Und was, glauben Sie, ist aus meinem Platz geworden?«
»Hinsetzen!« brüllte die Menge. »Hinsetzen!«
Mehr und mehr Jugendliche hatten sich inzwischen am Zaun breitgemacht. Weit, am entfernten Horizont, der eben von der untergehenden Sonne geküßt wurde, kämpfte ein einsamer Platzanweiser einen aussichtslosen Kampf gegen Schwärme von Platzpiraten. Ich wandte mich wieder meinem Schlächtermeister zu, doch er war inzwischen um keinen Millimeter geschrumpft. Ich bat ihn höflich um sein Ticket und begab mich, unzählige Pardons murmelnd, auf den Hürdenlauf über zahllose ausgestreckte Beine zu Block 13. Eine Schwadron von Polizisten hatte inzwischen das Stadion gestürmt und die Platzanweiser, die ihnen die Sicht versperrten, verjagt.
In Block 13 auf dem Platz des Fleischhauers saß ein Mittelgewichtsboxer. Dieser hatte ein Ticket für Block 1, 89. Reihe. Ich humpelte hin. Aufgewiegelte Völkerscharen brüllten mich an: »Hinsetzen!«, aber ich kämpfte wie ein Löwe um meinen Platz an der Sonne.
Unten galoppierte inzwischen berittene Polizei ums Spielfeld. Es war beruhigend zu sehen, daß zumindest auf dem Rasen die Ordnung aufrechterhalten wurde. Unterwegs zu Block 1 fiel mein Blick auf einen besonders schmächtigen Zuschauer. Das brachte mich auf eine Idee. Ich packte den Schmächtigen beim Kragen und jagte ihn mit einem großzügigen Freistoß davon. Danach ließ ich mich dankbar auf seinen Platz fallen. Rücksichtsvoll schenkte ich ihm die Platzkarte des Boxers, um auch ihm eine faire Chance zu geben. Meine Nachbarn brüllten, der Schmächtige solle sich hinsetzen. Es stand übrigens 3:1 für Brasilien.
Die verbleibenden zwei Minuten bis zum Abpfiff des Spiels waren ein unvergeßliches Erlebnis.
Genekologie
Wie das Leben nun einmal so spielt, habe ich eine gewisse Schwäche für Kalbshaxen in Sülze. Hier ist allerdings der guten Ordnung halber hinzuzufügen, daß bei mir eine Sülze wirklich gesülzt sein muß und unter keinen Umständen diese undefinierbare, stinkende Soße sein darf, die wir jedesmal wegwerfen müssen, wenn unsere geliebte Tochter Renana die Tür des Kühlschrankes wieder einmal offenstehen ließ.
»Ephraim«, sagt die beste Ehefrau von allen, »unsere entzückende Tochter ist ja auch zu einem Drittel deine Tochter, also walte deines Vateramtes und sprich mit dem kleinen Biest.«
Und Ephraim waltet, geht energisch auf seine Tochter zu und sagt zum dritten Mal in ebenso vielen Tagen:
»Wie oft muß ich dir noch sagen, verflixt noch mal, daß du die Kühlschranktür schließen sollst?« Worauf Renana mit allem Respekt antwortet: »Uff.«
Sie ist im Nahen Osten geboren, meine kleine Tochter, eine »Sabre«, wie die ortsübliche Bezeichnung lautet. Eine
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