Abraham Kann Nichts Dafür. 66 Neue Satiren.
einem Wunder.
Ein Wunder? Daß ich nicht lache.
Natürlich hatte die kleine Hexe ihre Schularbeit vom Mathematikgenie ihrer Klasse abgeschrieben. Aber um eventuelle Verdachtsmomente von vornherein zu entkräften, schmuggelte sie einen Fehler hinein und korrigierte dabei, ohne es zu ahnen, den einzigen Fehler des besagten Genies und wurde zur Heldin des Tages.
»Oho«, triumphierte ich, »es scheint, daß die Gene deines Vaters doch klüger sind, als sie aussehen.«
»Lächerlich«, erwiderte Renana mit eiskalter Überlegenheit, »das sind natürlich Mamis Gene.«
Weibervolk!
Die beste Ehefrau von allen fühlt sich natürlich bemüßigt, ins selbe Horn zu blasen, und bekräftigt ihr Töchterlein bereitwilligst in der Schnapsidee, daß sie von ihrer Seite nur Gene der allerbesten Exportqualität geliefert habe.
»Was deinen Vater betrifft«, äußerte sich die beste Ehefrau von allen, »so kann man seine Chromosomen an einer Hand abzählen.«
In meiner Ratlosigkeit schlug ich ihr vor, daß die elf Besten ihrer Gene gegen entsprechende Anzahl und Qualität der meinigen ein freundschaftliches Fußballmatch austragen sollten, um den Fall ein für allemal zu klären. Aber wie immer, wenn ich etwas äußerst Geistreiches vorschlage, bedeutete sie mir, daß man sie mit infantilen Ideen in Ruhe lassen solle.
Heute kam Renana in Tränen aufgelöst von der Schule nach Hause, weil sie bei der Geschichtsprüfung durchgefallen war. Ihre Mutter blickte sie traurig an und seufzte: »Hätte das arme Kind doch ein paar Gene von Henry Kissinger geerbt . . .«
Ich resigniere.
Terzett
Was mich betrifft, so respektiere ich im großen und ganzen meine Mitmenschen, im Sinne der UNO-Charta, samt Zubehör. Aber auch meine Geduld hat Grenzen. Zum Beispiel dann, wenn mein Telefon wieder einmal sein Eigenleben führt. Ich sitze also gemütlich an meinem Tisch, um zu schreiben. Da fällt mir plötzlich ein, daß ich dringend meinen guten Freund Joshka anrufen muß. Ich hebe den Hörer ab, aber noch bevor ich wählen kann, sagt mir eine besorgte Stimme:
»Die ganze Ladung ist schon im Hafen von Haifa, Gusti. Geh gleich zu Birnbaum und sag ihm, er soll sich um die Papiere kümmern.«
Ich sage: »Sie sind falsch verbunden, gehen Sie sofort aus der Leitung.«
Da meldet sich eine zweite Stimme und sagt tief und heiser: »Wer ist das?«
Ich lege den Hörer auf und versuche es noch einmal. Sofort informiert mich die heisere Stimme:
»Die im Hafen haben überhaupt kein Recht, Zoll zu verlangen.«
»Natürlich haben sie ein Recht dazu«, äußere ich mich zum Problem. »Zumindest Sie sollten das wissen, Gusti.«
»Klappe«, sagt die besorgte Stimme.
»Ich will meine freie Leitung«, erkläre ich. »Legen Sie auf. Beide.«
»Legen Sie selber auf«, schlägt der Heisere vor und fügt hinzu: »Ein Neueinwanderer hat doch schließlich das Recht auf zollfreie Einfuhr.«
»Das schon«, imitiere ich den Sorgenvollen, »aber seit wann, lieber Gusti, bist du ein Neueinwanderer?«
»Sag mal, spinnst du?« antwortet Gusti. »Ich meinte natürlich Birnbaum.«
»Moment«, unterbricht uns der Besorgte, »das war nicht ich! Da mischt sich schon wieder dieser Dussel in unser Gespräch.«
Ich verstelle von neuem meine Stimme und spreche nun im schrillen Diskant: »Hallo, hier Zentrale. Alle Teilnehmer sind aufgefordert, ihre Gespräche zu beenden. Die Leitung muß überprüft werden.«
»Nur noch einen Moment, Fräulein«, fleht mich der Besorgte an, »wir sind gleich fertig.«
»Trottel«, sagt der Heisere, »merkst du denn nicht, daß uns der Kerl zum Narren hält?«
»Natürlich merke ich es, Gusti«, antworte ich sorgenvoll. »Laß uns das Gespräch lieber abbrechen, wir sehen uns ja morgen in Haifa. Adieu!«
»Halt!« brüllt der Besorgte. »Leg nicht auf, Gusti! Das war doch wieder dieser Irre! Hören Sie zu, Sie Telefonpirat, wenn ich Sie erwische . . .«
»Es wird mir ein Vergnügen sein«, erwidere ich, »hier spricht der Zollinspektor von Haifa.«
»Schon gut, ignorier den Kerl«, sagt der Heisere dem Besorgten. »Man muß Birnbaum sagen, daß er als Neueinwanderer Privilegien hat . . .«
Während ich mir den Hörer zwischen Ohr und Schulter klemme, hole ich die gesammelten Werke meines Kollegen Shakespeare hervor und schlage bei »Macbeth«, V. Akt, letzte Szene nach:
»Schweige, du Höllenhund, schweig still. Von allen Menschen mied ich dich allein«, lege ich meinen Gesprächspartnern meinen Standpunkt dar. »Mit Blut der
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