Abraham Kann Nichts Dafür. 66 Neue Satiren.
die alte von der Sonne ausgeblichen war, ein Paar Sandalen, ein neues Sicherheitsschloß für unsere Wohnungstür sowie Mottenkugeln und eine robuste Reiseschreibmaschine.
Auch ein neuer Koffer war dringend erforderlich, um den Hotelportiers zu imponieren, eine Unterwasser-Taschenlampe und Vitaminpillen gegen Skorbut.
Dazu eine Unmenge Schlaftabletten sowie ein großer Reisewecker, um den Sonnenaufgang nicht zu versäumen.
Selbstverständlich eine Familienpackung Sonnenöl, ein Transistorradio für die Sportnachrichten, Fischfangausrüstung mit einer Packung frischer Würmer, eine neue leichtere Haarbürste, ein standesgemäßer Pyjama, vier Kilo Traubenzucker, Reiseshampoo, Schlankheitstees, Göbbels Tagebuch, ein Moskitonetz und einen neuen Wagen.
Dann war nicht mehr viel zu tun. Ich mußte nur noch veranlassen,
daß uns die Morgenzeitung an die Urlaubsadresse nachgeschickt wird,
daß unser Nachbar Felix Selig täglich unseren Briefkasten leert,
daß der Briefträger die eingeschriebene Post, falls welche käme, Selig aushändigt,
daß Frau Blum die Bewässerung unserer Zimmerpflanzen übernimmt,
daß der Hund, die Katze, die Kinder sowie der Goldfisch in die Obhut der Großeltern kommen.
Daß zwei diplomierte Krankenschwestern die Großeltern fachgerecht überwachen, daß Frau Geiger die Reserveschlüssel zu unserer Wohnung aufbewahrt, um ein Auge auf bevorstehende Wasserrohrbrüche zu haben, wenn möglich vielleicht von Zeit zu Zeit die Lichter aufzudrehen und Lärm zu machen, um etwaige Einbrecher zu verscheuchen, und daß Felix Selig ein Auge auf Frau Geiger habe, während sie in unserer Wohnung herumschnüffelt.
Zu guter Letzt mußte ich noch die Wohnung mit einer Zwei-Wochen-Ration Insektenschutzmittel aussprühen, Gas, Wasser und Strom abdrehen, den Telefonkundendienst beauftragen, eine umfangreiche Krankenversicherung abschließen sowie Butter, Margarine und sonstige verderbliche Eßwaren aus dem Kühlschrank entfernen.
Dann allerdings brauchte ich dringend Urlaub.
Die beste Ehefrau von allen hatte wieder einmal recht gehabt.
PLX 45 L
Was mich betrifft, so gestehe ich offen, daß ich keine wie immer gearteten Neidkomplexe gegen irgendeine Gesellschaftsschicht, Kaste, Klasse oder Berufssparte in mir trage – außer natürlich gegen Politiker. Schließlich haben wir alle genügend eigene Sorgen und dazu auch noch etliche unserer Mitmenschen.
Nachdem das geklärt ist, muß ich allerdings zugeben, daß immerhin eine kleine Gruppe von Leuten ein recht beneidenswertes Leben führt: die Amateurfunker. Sie formieren sich in kleinen Cliquen, irgendwo zwischen 1256 und 1270 Kilohertz, und führen faszinierende Zwiegespräche, wie zum Beispiel das folgende:
»Hallo! Hallo! Hier spricht Gamma-0-Delta Doppel-Zwölf Westminster Niagara. Ich rufe Mikro-2Makro Intercom Rappaport. Ich wiederhole. (Und genau das tut er.) Bitte kommen. Bitte kommen. Hier spricht Gamma-0-Delta Doppel-Zwölf Westminster Niagara, bitte sprechen!« Worauf einige Bips und Bups zu vernehmen sind, gefolgt von der Antwort:
»Hier spricht Mikro-2-Makro Intercom Rappaport. Wie geht's, Fritzi? Kannst du mich gut hören? Mikro-2-Makro Intercom Rappaport Ende.«
»Hier spricht Gamma-0-Delta Doppel-Zwölf Westminster Niagara. Ich kann dich gut verstehen, aber mir kommt vor, daß der Frequenz-Converter von deiner 3PLX Modulationseinheit eine leichte Rückkopplung hat. Gamma-0-Delta Doppel-Zwölf Westminster Niagara Ende.«
Zu diesem Zeitpunkt wird die Stimme von Mikro-2-Makro brüchig und ist kaum noch zu verstehen:
»Hier spricht Mikro-2-Makro Intercom Rappaport. Danke für den Tip, Freund, ich habe den frontalen Sende-Entzerrer auf Impuls F-12 gestellt. Kannst du mich jetzt besser hören, Fritzi? Mikro-2-Makro Intercom Rappaport Ende.«
»Hier spricht Gamma-0-Delta Doppel-Zwölf Westminster Niagara. Dein Zykloston ist nicht richtig zentriert. Außerdem glaube ich, daß dein Elektroden-Verwutzler überheizt ist. Weißt du was, ich komme mit dem Lötkolben runter. Gamma-0-Delta . . .«
Worauf Gamma-0-Delta eine Treppe hinuntereilt, wo ihn Mikro-2-Rappaport an der offenen Tür erwartet. Nachdem der Schaden behoben ist, begibt Fritzi sich wieder in das obere Stockwerk, setzt sich an seinen Elektroden-Verwutzler und beginnt wieder zu senden, Gamma-0-Delta Doppel-Zwölf Westminster ...
Das, liebe Freunde, sind die einzigen Menschen in der Welt, die ich wirklich beneide.
Emanzipation
Vorige Woche las ich in der Zeitung, daß ein
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