Abraham Kann Nichts Dafür. 66 Neue Satiren.
dem Hörspiel im Dunkel der Ätherwellen. Wie also kann der Hörer von den äußeren Details in Kenntnis gesetzt werden?
Hier ein Beispiel:
». . . und nun senden wir unser Hörspiel ›Endstation Bienenkorb‹« (Musik, lautes Klopfen, noch sind wir in Ungewißheit)
Dröhnende Männerstimme (gehört dem Mann, der klopft): »Mischa, Mischa, darf ich in deine geschmackvoll eingerichtete Dreizimmerwohnung eintreten?«
Leise Männerstimme: »Mischa Armansky würde nie die Türe vor dem Bruder seines Vaters verschließen, selbst wenn es kurz vor Mitternacht wäre.« (Quietschen einer Türe, die geöffnet wird. Wir hören, daß draußen ein Sturm tobt. Dazu einige Donnerschläge, falls jemand den Sturm überhört haben sollte.)
Dröhnende Männerstimme (schließt die Tür mit obligatem Quietschen): »Schrecklich der Sturm da draußen.« (Diese Zeile hat der Regisseur eingefügt, um auf Nummer Sicher zu gehen.) »Ich bin überzeugt, daß dieser Tag, der 10. November 1934, in die Geschichte der Meteorologie eingehen wird. Fürwahr, ich will nicht Mosche Armansky heißen und Orangenplantagenbewässerer sein, wenn ich in meinen dreiundsechzig Lebensjahren ein solches Wetter erlebt habe.«
Leise Männerstimme: »Auch ich, wenn auch in Tucson, Arizona, geboren, als stämmiger Dreißiger mit meiner sechsjährigen Universitätsausbildung und derzeit Besitzer einer drei Hektar großen Hühnerfarm nahe der syrischen Grenze, wo ich nebenbei Spinat anbaue, kann mich nicht erinnern, je so ein Wetter erlebt zu haben.«
Weibliche Stimme (tritt auf, Türquietschen, Zuschlagen): »Guten Abend, Onkel Moses. Erinnerst du dich nicht an mich? Ich bin Bella, Mischas leichtlebige Gattin, im achten Monat schwanger.« Dröhnende Männerstimme: »Natürlich erinnere ich mich an dich. Du hast dich überhaupt nicht verändert. Du bist noch immer die kleine, dicke Bella mit den slawischen Gesichtszügen, den blauen Augen, der kecken Nase und dem langen schwarzen Haar. Du siehst sehr hübsch aus in deinem braunen Pullover und dem buntgemusterten Schottenrock. Ich kann nur hoffen, daß du dir dein musikalisches Talent sowie deine Begabung für Fremdsprachen erhalten hast.«
Leise Männerstimme: »O ja, das ist ihr gelungen, obwohl wir schon acht Jahre verheiratet sind und zwei Knaben und drei Mädchen haben, die alle hier in unserem kleinen Dorf Kiriath Epstein, gegründet 1923, zur Schule gehen.«
Dröhnende Männerstimme: »Übrigens, ich trage eine Brille. Ist jetzt alles klar? Gut, dann können wir mit der Handlung beginnen. Aber rasch, wir haben nur mehr 3 Minuten . . .«
Trillerpfeife
Der erste wirklich warme Frühlingstag veranlaßte mich, mein Lieblingsschwimmbad aufzusuchen. Mit einem Blick hatte ich die Lage im Griff. Dieselbe zweifelhafte Reinlichkeit, derselbe Mangel an Ruhe, derselbe nervöse Bademeister mit derselben erbarmungslosen Trillerpfeife.
Beim zweiten Hinsehen entdeckte ich jedoch neben dem Eingang ein kleines, seichtes Fußbassin mit einer glänzenden, automatischen Chromstahlbrause. Diese sollte jeden unbescholtenen Badegast zu einer eiskalten Dusche zwingen, ehe er sich dem unbeschwerten Badevergnügen hingab. An der Wand war die höhnische Aufschrift zu lesen:
»Haben Sie schon geduscht?«
Was mich betrifft, so habe ich nicht das Geringste gegen eine eiskalte Dusche am Morgen, vorausgesetzt, das Wasser ist angenehm warm. Daher fühlte ich mich auf unfaire Weise überrumpelt. Der einzige Ausweg, dem kalten Strahl zu entgehen, war, die Wand neben der Wasserfalle zu bezwingen. Das tat ich auch prompt und es gelang mir, fast völlig trocken die ersehnte Badezone zu erreichen.
»Trrr, trrr!« pfiff der Bademeister erbost. »Sie da, die Dusche ist hier, um im Interesse der allgemeinen Hygiene benutzt zu werden. Ist das klar?«
»Vollkommen klar.«
»Ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, daß auch Sie dieses Schwimmbad von bösartigen Bakterien freihalten wollen.«
»Richtig.«
»Darf ich Sie also bitten, zu duschen.«
»Nein. Das Wasser ist mir zu kalt.«
Der Bademeister sagte kein Wort mehr, doch am nächsten Tag war die Wand mit einem Stacheldraht versehen. Ich eilte zu meinem Wagen, kam mit einer Stahlzange zurück und durchschnitt die bedrohlichen Stacheln. Dann kletterte ich wieder über die Mauer und stürzte mich ins Becken.
Der Bademeister verfolgte mich mit Geierblick.
Am nächsten Morgen reichte die Duschvorrichtung durch ein verlängertes Wasserrohr, das lauter kleine Löcher hatte, über die
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