Abraham Kann Nichts Dafür. 66 Neue Satiren.
recht. Auf dem Rothschild-Zettel stand:
»Der Angeklagte gesteht, in Tiberias einen Doppelmord begangen zu haben, und wünscht gehängt zu werden.«
Natürlich hatte ich widerspruchslos auf der punktierten Linie unterschrieben.
»Wohlan denn«, flüsterte ich, »ich bin bereit.«
»Einen Moment noch«, sagte die Hakennase, »ich komme in Sachen Herz und Nieren«, und zeigte mir meine Unterschrift auf meiner Lebensversicherungspolice, Seite 12, Absatz 2, § 65/d: »Der Versicherte ist verpflichtet, sowohl sein Herz als auch seine Nieren für jeden beliebigen Zweck zu spenden, den die Versicherungsgesellschaft bestimmt.«
Ich sagte: »Gut, meine Herren, laßt uns gehen, möge ich in Frieden ruhen.«
Das ist alles.
Mein Begräbnis ist morgen mittag.
Gelbfieber
Wir saßen zu viert herum, Dr. Birnbaum, Anwalt Glück, mein Nachbar Felix Selig sowie meine Wenigkeit, um dies und jenes im allgemeinen sowie den Weltuntergang im besonderen zu besprechen. Es war ein angenehmer Abend, die Sonne war schon untergegangen und der Gestank des Mittelmeeres noch nicht bis zur Stadt vorgedrungen.
»Die Modezeitschriften sind der Ansicht«, teilte uns Anwalt Glück mit, »daß der globale Atomkrieg wieder ›in‹ ist.«
»Lächerlich«, sagte Felix, »wo doch die Russen mit den strategischen Marschflugkörpern zur Zeit im Hintertreffen sind. Sie haben höchstens 7030 Stück.«
»Weniger«, warf Glück ein. »Nach meinen persönlichen Informationen höchstens 5500.«
»Einigen wir uns auf 6210«, schlug ich vor.
Dr. Birnbaum, der uns bis dahin mit herablassendem Blick und entsprechendem Lächeln zugehört hatte, übernahm das Gesprächskommando:
»Nun gut«, sagte er, »und was ist mit China?«
»Was soll mit China sein?«
»Ihr Biertischpolitiker! Ihr quasselt über alles mögliche, nur nicht über die Sache! Marschflugkörper? Blödsinn. Das Schicksal des Erdballs hängt ausschließlich von einem einzigen Faktor ab: Was werden die Chinesen tun?«
»Was sollen sie schon tun?«
»Das weiß ich nicht«, sagte Dr. Birnbaum. »Alles, was ich weiß, ist, daß China nach der letzten Volkszählung 1008175288 Einwohner hatte. Haben Sie kapiert, meine Herren? Es gibt über eine Milliarde lebende Chinesen.«
»Eine beträchtliche Menge, ohne Zweifel.«
»Um diese Zahl zu veranschaulichen«, fuhr Dr. Birnbaum fort, »bedenkt folgendes: wenn man eine Milliarde Chinesen aufeinander stellt, würden sie bis an die Sonne reichen.«
»Nie im Leben«, erwiderte Felix, »die würden lange bevor sie auf der Sonne ankommen zu Chop Suey verschmoren.«
»Darauf würde ich mich nicht verlassen«, äußerte sich Advokat Glück, »die Chinesen sind sehr diszipliniert.«
Vor meinem geistigen Auge versuchten eine Milliarde Chinesen den Himmel zu erreichen. Vor Jahren, als ich noch zur Schule ging, mußte sich der dicke Goldstein im Turnunterricht auf meine Schultern setzen. Nach einigen Augenblicken bin ich geräuschlos unter ihm zusammengebrochen.
Dr. Birnbaum bohrte weiter:
»China hat eine Armee von 150 Millionen Mann. Stellt euch einmal die Militärparade am i. Mai vor, wenn 150 Millionen Soldaten an der Tribüne vorbeimarschieren.«
Nach kurzer Kopfrechnung kamen wir zu dem Ergebnis, daß es ein ganzes Jahr dauern würde, ehe 150 Millionen Soldaten an der Tribüne vorbeimarschiert wären. Mit anderen Worten, sofort nach dem Ende der Parade müßten sie wieder von vorne beginnen, um im Anschluß daran von neuem anzufangen, ohne Ende, bis zum Weltuntergang. Schrecklich. Für mich persönlich ist bereits ein Anderthalb-Stunden-Spaziergang schlimm genug.
»Meine Herren, ein gut organisierter Bajonettangriff von 150 Millionen Draufgängern kann recht ungemütlich werden«, resümierte Dr. Birnbaum. »Wir müssen unsere Reservisten besser trainieren.«
Danach wandten wir uns der Rüstung zu:
»Ich gebe zu bedenken«, setzte Dr. Birnbaum fort, »wenn die Chinesen für jeden ihrer Soldaten nur eine einzige Uzi-Maschinenpistole made in Israel bestellen würden . . .«
Uns lief das Wasser im Munde zusammen. Hundertfünfzig Millionen Uzis, mein Gott! Nehmen wir an, daß wir nur 10 Dollar pro Stück verdienen würden . . . also gut, 5 Dollar . . .
»Vielleicht sollten wir den Chinesen eine schriftliche Offerte machen«, schlug ich vor.
Dr. Birnbaum warf mir einen vernichtenden Blick zu:
»Glauben Sie, daß die uns brauchen? Wenn die wollten, könnten sie jeden Tag eine neue Waffenfabrik bauen. Wir müssen mit dem Hut in der Hand zu Onkel
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