Abschalten: Die Business Class macht Ferien (German Edition)
vorstellen, sonst würde er doch einfach das Telefon ausstecken.«
»Vielleicht weiß er nichts von ihrem Text auf dem Beantworter.«
»Das glaubst du doch selber nicht.«
»Nein.«
»Er will, dass die Welt weiß, dass er meditiert.«
»Er will, dass wir denken, er sei durchgeistigt.«
»Remmler, dieses Pfund Schnitz!«
»Er will uns als materialistische Säcke hinstellen.«
»Ausgerechnet Remmler! Privatessen auf Spesen, aber meditieren.«
»Falls er überhaupt meditiert.«
»He! Natürlich! Das ist es! Der meditiert gar nicht!«
»Der will einfach das Gerücht streuen, er meditiere.«
»So wie er das Gerücht streuen will, er arbeite.«
»Schatz, stell den Beantworter auf Meditation, heute gibt’s Schlachtplatte im Leuen.«
Lehmann on the Rocks
Lehmann späht durch das kleine Glasfensterchen in der Saunatür, bis der Belgier von Tisch achtzehn aus dem Kaltwasserbecken klettert. Marianne und er haben Tisch siebzehn und grüßen Tisch achtzehn seit dem zweiten Tag. Es war unangenehm genug gewesen, in der Ausdünstung von jemandem zu schwitzen, von dem man genau wusste, was er zu Abend gegessen hatte. Das Kaltwasserbecken mag Lehmann nicht auch noch mit ihm teilen.
Jetzt ist die Luft rein. Lehmann bindet sich das nasse Frottiertuch neu um die Hüfte, sichert den Knoten mit der Linken, zieht den Bauch ein und verlässt die Sauna. Er geht die paar Schritte zum Kaltwasserbecken und schaut sich vorsichtig um. Als er sich versichert hat, dass die Luft rein ist, lässt er das Tuch fallen und springt.
Er ist auf etwas Kühles gefasst. Aber dass es so kalt sein würde, hat ihm niemand gesagt. Wenn es ihm nicht den Atem verschlagen hätte, würde er schreien wie ein Kind im Nichtschwimmerbecken. Das Eiswasser brennt auf seiner Haut wie Pommes-frites-Öl.
Er hält sich japsend am Beckenrand fest und zählt. Mindestens eine Minute empfiehlt der wasserfeste Anschlag im Schwitzraum. Lehmann nimmt an, dass es sich dabei um die Erfahrungsdaten für Fortgeschrittene handelt, und reduziert sein Limit auf zwanzig Sekunden. Bei neun beginnt er, rascher zu zählen, und bei vierzehn fängt er an, aus dem Becken zu klettern.
Bei siebzehn entdeckt er Rudin.
Keine zehn Meter vom Kaltwasserbecken entfernt, unterhält der sich mit einem Unbekannten. Beide tragen ihre Frottiertücher tief auf den Hüften, wie römische Zenturionen zwischen zwei siegreichen Feldzügen. Rudin benutzt seine verschränkten Arme als Push-up-Bra für den großen Brustmuskel und achtet darauf, dass die muskulösen Unterarme nicht zu viel vom Waschbrettbauch verdecken.
Lehmann lässt sich wieder ins Gletscherwasser sinken und beginnt, Marianne zu verfluchen. Das hat er jetzt davon, dass er sich zu diesen Scheißwellnessferien überreden ließ. Noch schlimmer: dass er sich weichklopfen ließ, in diesen Scheißwellnessferien auch noch von diesem Scheißwellnessangebot Gebrauch zu machen. Nur weil es im horrenden Preis des Arrangements inbegriffen ist. Im Alpina, wo sie sonst die Winterferien verbrachten, wäre Rudin nicht aufgetaucht. Und falls doch, hätte er Lehmann niemals bibbernd und splitternackt aus einem Kühlbecken klettern sehen.
Nein. Diesen Anblick gönnt er Rudin nicht. Nicht Rudin, der es seit Jahren auf seinen Job abgesehen hat. Der stumm und hartnäckig darauf hinarbeitet, dass sich Lehmann die entscheidende Blöße gibt.
Aber jetzt beginnen Lehmanns Zähne zu klappern. Es wird ihm nichts anderes übrigbleiben, als sich das Frottiertuch vom Beckenrand zu angeln, es unter Wasser umzulegen und möglichst gelassen aus dem Becken zu steigen.
Während er vergeblich nach dem Tuch tastet, sieht er gerade noch, wie sich eine Frau im hellblauen Arbeitsmantel mit einem Wäschekorb voller gebrauchter Frottiertücher entfernt. Rudin wechselt gerade vom Spiel- aufs Standbein.
Auf vierhundertachtzig muss Lehmann zählen, dann verschwindet Rudin in der Sauna. Dass er ihm seinen Anblick nicht gegönnt hat, wärmt Lehmann ein bisschen. Aber nicht genug, um ihm den schweren grippalen Infekt zu ersparen, dem sein durch die Unterkühlung geschwächtes Immunsystem nichts entgegenzusetzen hat.
Die zehn Arbeitstage, die er ausfällt, wird er von Rudin hervorragend vertreten.
Kölliker im Herbst
Wie immer bei zweifelhafter Witterung nimmt Kölliker den Touareg von Eveline für die Fahrt zum Fitness-Parcours. Sie braucht ihn noch nicht um sechs Uhr früh, und jetzt, wo das Herbstlaub fällt, kann der Vierradantrieb nichts schaden.
Die
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