Abschalten: Die Business Class macht Ferien (German Edition)
getragen hat, verflogen. Er beschließt, ihn im Wagen zu lassen und sich bei seinem Stellvertreter und Gewährsmann Strehl abzusichern, bevor er sich damit bei seinen Untergebenen blicken lässt.
Auf Strehl ist wie immer Verlass. Er bietet spontan an, in der Kaffeepause mit Mattle zum Wagen zu gehen und ganz, ganz ehrlich zu sagen, ob der Panama drinliege.
Strehl ist begeistert. Mattle habe einen Hutkopf, versichert er, wie Warren Beatty und Thomas Mann. Es sei ihm ein Rätsel, weshalb er nicht schon immer einen Hut getragen habe.
Mattle bleibt den ganzen Vormittag skeptisch. Immerhin ist Strehl sein Untergebener und könnte versucht sein, sich bei ihm einzuschmeicheln. Aber nach dem Lunch geht er zum Wagen, setzt den Hut auf, prüft sich im Rückspiegel und muss Strehl recht geben. Kurz darauf betritt er die Firma ganz unbefangen mit Hut und nimmt ihn erst im vollbesetzten Lift ab.
Mattle gewinnt damit viel Selbstvertrauen. Und Strehl eine Wette von vierhundertachtzig Franken gegen praktisch die ganze Abteilung.
Die Diskrepanzen
Die Ferien sind vorbei, und vor Eveline Holzer liegt wieder das normale Leben in seiner ganzen unerbittlichen Übersichtlichkeit. Neben ihr liegt Kurt, auch nicht gerade ein Ausbund an Überraschungen. »Woran denkst du?«, fragt sie. An nichts, und du?, wird er antworten.
»An nichts, und du?«
»An dies und das.«
Er wartet, bis sie konkreter wird, aber sie schweigt.
Er schweigt auch.
»Zum Beispiel an diese Diskrepanzen.«
»Welche Diskrepanzen?«
»Zwischen den Gehältern.«
»Welchen Gehältern?«
»Zum Beispiel zwischen denen deines Topmanagements und dem von dir.«
»Ich verdiene anständig.«
»Eben. Und deine Chefs unanständig.«
Er schweigt.
»Warum sagst du nichts?«
»Weil ich versuche zu schlafen.«
»Damit du morgen schön ausgeruht deinen anständigen Lohn wert bist.« Sie hört, wie er einatmet und die Luft anhält, mit der er die Antwort hatte herausstoßen wollen.
Nach einer Weile sagt er mit seiner geduldigen Stimme, die ihr so auf die Nerven geht: »Anständig und unanständig sind keine Kriterien in der Lohnpolitik.«
»Sondern?«
»Angemessen und unangemessen.«
»Ha! Dann ist es also jetzt plötzlich angemessen, dass einer im Monat doppelt so viel verdient wie du im Jahr?«
Kurt Holzer zögert mit der Antwort.
Eveline hakt nach.
»Besser als du seien die dort oben ja nicht, behauptest du immer.«
»Nicht den Leistungen angemessen, meine ich. Dem Marktwert. Dem, was die Amerikaner oder Japaner bezahlen würden, um ihn abzuwerben.«
»Warum sollten die mehr bezahlen, wenn sie einen Ebenbürtigen für einen Bruchteil der Summe haben können? Dich zum Beispiel.«
»Ich bin nicht ebenbürtig. Das wäre ich erst, wenn ich gleich viel verdienen würde.«
»Du kannst auch einfach sagen, du hast keine Lust, mit mir darüber zu diskutieren, du brauchst mich nicht gleich zu verarschen.« Eveline dreht sich auf die Seite.
»Wie soll ich es dir erklären? Das Gehalt ist ein wichtiger Teil der Qua-li-fi-ka-tion. Ach was: Das Gehalt ist die Qualifikation. Nicht, weil du besser bist als die andern, verdienst du mehr. Dadurch, dass du mehr verdienst, bist du besser.«
»Wie gesagt, du brauchst mich nicht zu verarschen.«
Aber so klar hat Holzer es noch nie gesehen. »Weil die Manager austauschbar sind, muss man die Qualitätsunterschiede mit Geld herstellen! Ab einem gewissen Gehaltsniveau stellt sich die Frage nach der Qualität nicht mehr!«
Holzer sitzt jetzt kerzengerade im Bett und knipst das Nachttischlämpchen an. »Verstehst du jetzt?«, ruft er aus.
Eveline schüttelt den Kopf. »Das erklärt zur Not die Lohnunterschiede, aber nicht, weshalb sie so gigantisch sein müssen.«
»Ü-ber-leg doch mal!« Er schlägt sich bei jeder Silbe mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Je teurer die Manager, desto besser die Firma! Die Unternehmen wollen in ihren Führungsetagen Leute von amerikanischem und japanischem Niveau. Gehaltsniveau, wohlverstanden! Sie be-schäf-ti-gen nämlich keine Spitzenmanager! Sie beschäftigen Spitzengehälter! Es ist die einzige Funktion unserer Chefs, unverhältnismäßig viel mehr zu verdienen!«
»Ich wollte, es wäre auch deine.«
Holzer steht jetzt im Bett. »Unterschätze meine Aufgabe nicht: Ich!«, ruft er aus und reckt die Faust zur Decke empor, »ich gehöre zu denen, die das alles bezahlen!«
»Ich mach mir jetzt einen Tee, willst du auch einen?«
Held der Arbeit, Schwegler
Schwegler ist wieder
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