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Abscheu

Abscheu

Titel: Abscheu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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geht auf jeden Fall schneller.
    Ich nehme lieber die Fähre, weil ich gern auf dem Wasser bin, aber auch, weil es nun einmal der kürzeste Weg zu Haralds Büro ist.
    Der Fährmann sitzt hoch über seiner Fracht in seiner Kabine aus Glas und Metall und beobachtet mürrisch ein herannahendes Binnenschiff. Für Freizeitboote hält er nicht an, das weiß ich, aber schwere Binnenschiffe, beladen mit Sand, Getreide oder Kohle, lässt er passieren.
    Das Frachtschiff verursacht starke Wellen. Das Heck mit der im Wind flatternden niederländischen Flagge ist kaum an uns vorbei, als der Motor der Fähre zu stampfen und zu quietschen beginnt. Die Fähre legt vom Ufer ab und setzt sich in Bewegung.
    Ich steige aus meinem grünen Freelander aus. Ein paar Meter entfernt von den anderen Passagieren, einem älteren Ehepaar mit Fahrrädern, halte ich mich an der kalten Metallreling fest. Von hier aus kann man die Schrägseilbrücke in der Ferne erkennen, verschwommene graue Umrisse in der überwiegend grünen Landschaft. Dahinter beschreibt der Fluss eine Biegung und verschwindet außer Sicht. Ich kneife meine Augen im hellen Sonnenlicht zu Schlitzen zusammen und hole tief Luft. Wie fast immer habe ich meine blondierten Haare hochgesteckt, aber im Wind lösen sich einzelne Strähnen und tanzen und wirbeln über mein Gesicht. Einen Augenblick lang bleibe ich so stehen und starre die Brücke, die beiden Ufer und den blauen Himmel mit den zarten Wolken an, bis die Fähre die andere Seite fast erreicht hat und langsamer wird.
    Ich setze mich wieder ins Auto, stecke meine Haare mit zusätzlichen Nadeln fest und krame ein Fläschchen Haarlack aus der Tasche, um das Ganze zu fixieren. Die Gase aus dem Spray rauben mir den Atem und brennen in den Augen. Ich fahre das Fenster herunter, um frische Luft hereinzulassen, und wedele mit Haralds Akte. Anschließend ziehe ich Lippenstift und Eyeliner nach und lächele mein Spiegelbild an. Fertig. Nichts verwischt, nichts verlaufen.
    Die Stahlrampe der Fähre wird heruntergelassen und schabt über den Betonkai, wo mehrere Fahrradfahrer und ein Traktor darauf warten, zur anderen Seite überzusetzen. Als die Schranke hochgeht, lasse ich den Motor an und biege in die schmale Polderstraße ein, die in die Stadt führt.
    Haralds Maklerbüro liegt am Marktplatz der alten Festungsstadt, in einem stattlichen, dreistöckigen Gebäude aus kleinen Backsteinen mit leicht nach vorn geneigter Fassade. Ich finde das immer ein bisschen gruselig, denn mir kommt es so vor, als könne die Mauer jeden Augenblick nachgeben und das ganze Haus mitsamt der angrenzenden Gebäude wie Kartenhäuser in sich zusammenfallen, aber Harald zufolge kann diese leichte Vorneigung nicht schaden. Er behauptet sogar, sie sei bei Häusern aus dem siebzehnten und frühen achtzehnten Jahrhundert ganz normal, und ich glaube ihm – außergewöhnliche, jahrhunderte alte Häuser sind Haralds Spezialität.
    Harald ist kein Durchschnittsmakler. Er ist ein absoluter Experte auf dem Gebiet alter Gebäude, dem jeder Riss und jede Abweichung vom Originalzustand sofort auffallen. Harald vermittelt ausschließlich Häuser, zu denen er Vertrauen hat und hinter denen er persönlich steht. In dieser Gegend gilt daher ein »Zu verkaufen«-Schild von Ravelin im Garten als Statussymbol. Wer seine Immobilie über Harald verkauft, kann etwa zehn Prozent mehr verlangen als bei einem anderen Makler. Aber auch ohne diesen Aufschlag gehören die Häuser zu einer Kategorie, bei der in den Anzeigen nur »für gehobene Ansprüche« oder »Preis auf Anfrage« anstatt einer Kaufsumme steht.
    Fünf Minuten nachdem ich meinen Wagen an der Stadtmauer geparkt habe, klappern meine Absätze über den Boden aus gebrochenem Marmor im Foyer. Alles im Inneren des Gebäudes ist cremeweiß: die Böden, die Wände, die hohen Decken und die Holztüren. An der Wand auf der rechten Seite des Foyers steht ein schlichtes, niedriges Sofa, und auf dem Glastischchen daneben liegen einige Wohnzeitschriften.
    Eine dunkelhaarige junge Frau am Empfang nimmt beinahe Haltung an, als sie mich hereinkommen sieht. »Mevrouw van Santfoort«, sagt sie hastig, »guten Tag!«
    Ich erhasche ihren unsicheren Blick, kann mich aber partout nicht an ihren Namen erinnern, also erwidere ich ihren Gruß nur mit einem Nicken und ziehe mich so aus der Affäre. Ich gehe an ihr vorbei durch einen schmalen Flur, der zum Wintergarten auf der Rückseite des Hauses führt.
    Der Wintergarten ist in ein Wartezimmer und

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