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Abscheu

Abscheu

Titel: Abscheu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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hinunter. Die Flüssigkeit brennt in meiner Speiseröhre, und ich lasse mich wieder hintenüber auf das Bett fallen.
    Ich habe keine zweihunderttausend Euro. Das Gebäude in der Festungsstadt war hypothekenfrei, als mein Vater starb, aber das ist es inzwischen längst nicht mehr. Auch auf dem Bauernhof lastet eine hohe Hypothek. Für Hypothek Nummer drei – Großmutters Häuschen – läuft ein Antrag. Selbst wenn ich meine beiden Häuser verkaufen würde, würde das nicht viel bringen. Der Mehrwert ist gering. Und auch wenn ich mit Müh und Not gerade mal die Zweihunderttausend für diesen Gangster zusammenkratzen würde, wie sollte es dann weitergehen? Was bliebe mir dann noch übrig? Nichts. Ich würde meine Firma, meine Frau und mein Heim verlieren, und ein anderer würde in meinem Haus auf der Insel wohnen.
    Jemand klopft an die Tür. Ich stehe vom Bett auf, um zu öffnen, und merke, dass ich ein wenig unsicher auf den Beinen bin.
    Draußen steht ein kleiner Mann in dunkelroter Uniform mit einem Silbertablett, auf der eine Flasche Tullamore Dew und ein Kristallglas stehen. »Ihr Whiskey, Meneer.« Der Mann stellt das Tablett auf einem der Beistelltische neben den Sesseln ab und nickt mir im Hinausgehen höflich zu. Lungert nicht herum in Erwartung eines Trinkgelds. Das hat Klasse.
    Ich mache mir nicht die Mühe, den Whiskey in das Glas zu schenken. Ich reiße den Verschluss herunter, schlüpfe zurück ins Bett, streife die Schuhe ab und setze die Flasche an den Mund.
    Geld, denke ich. Wie komme ich an Geld, ohne die Immobilien zu verkaufen? Der Jaguar ist geleast, den kann ich nicht verkaufen, selbst wenn ich es wollte. Für Claires Freelander bekomme ich vielleicht zehn-, fünfzehntausend. Höchstens. Was haben wir sonst noch? Humboldt ist kein schlechtes Pferd, aber wegen seiner Beinverletzung würde er höchstens dreitausend einbringen. Donky bloß ein paar Hundert, die hat nicht mal Papiere. Die Möbel? Maßanfertigungen, aber gebraucht sind sie kaum etwas wert. Claires Schmuck? Sie hat Ringe, die neu zweitausend gekostet haben, aber so viel sind sie nur am Tag der Anschaffung wert, wenn sie noch glänzend in der Vitrine des Juweliers liegen. Sobald man sie loswerden will, zählt nur noch der Goldpreis.
    Nein, diese Art von Ausverkauf bringt gar nichts.
    Noch mehr Geld aufnehmen? Ich musste praktisch vor dieser Qualle von Lely im Staub kriechen, um den Kredit für den Bau des Hauses für Claires Mutter bei ihm lockerzumachen. Wenn ich jetzt wieder bei ihm anklopfe, verliere ich den letzten Rest Glaubwürdigkeit. Dann wird er meine Bonität anzweifeln und die Bilanzen infrage stellen. Darüber wird er mit Dritten reden, die es wiederum ihren Freunden und Bekannten weitererzählen … und ehe man sichs versieht, bewahrheitet sich sein Verdacht, eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.
    Wusstest du, dass dieser van Santfoort von Ravelin Immobilien finanzielle Probleme hat?
    Anscheinend ist ihm alles über den Kopf gewachsen – man hat das ja schon seit einer Weile kommen sehen, oder?
    Die Universität hat er damals auch nicht geschafft …
    Gott sei Dank, dass sein Vater das nicht mehr erleben muss …
    Ich kneife die Augen zu und lege das Kinn auf die Brust. Welche Möglichkeiten habe ich noch? Keine mehr. Jedenfalls sehe ich keine.
    Wenn ich den Forderungen dieses Verbrechers nicht nachkomme, wird er mich unter Druck setzen. Wahrscheinlich wird er damit anfangen, die Sache an die große Glocke zu hängen. Dass ich mit einer … einer Hure verheiratet bin.
    Wieder setze ich die Flasche an die Lippen und trinke noch ein paar große Schlucke. Vorhin hatte der Alkohol noch eine gewisse Wirkung. Ich fühlte, wie die vierzig Prozent in meinem Mund und meiner Speiseröhre prickelten und brannten. Jetzt fühle ich nichts mehr. Mein ganzer Körper ist wie betäubt, völlig am Ende. Ich schmecke nichts, und ich fühle nichts.
    Ich bin mit einer Hure verheiratet.
    Ich habe Kinder von einer Hure.
    Claire ist eine Hure.
    Ich lasse die Flasche neben mich auf den Teppich fallen, knie mich auf das Bett und fange an zu heulen. Erst lautlos, ohne Tränen, eine Art ersticktes Schluchzen, und dann, nachdem ich sichergegangen bin, dass mich niemand beobachtet, fangen meine Schultern an zu zucken. Ich balle die Fäuste und schlage auf die Kissen und die Matratze ein. Die Tränen fließen mir über das vor Scham brennende Gesicht, und ich fühle, wie mir der Rotz über die Oberlippe läuft. Tropfen fliegen in alle Richtungen,

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