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Abscheu

Abscheu

Titel: Abscheu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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öffnet er die Tür. »Du wirst schon dafür sorgen, dass es nicht so weit kommt.«

41
    »Nur zwei, ist das nicht ein bisschen wenig?« Natalie beugt sich über die Bananenkiste, die als Wochenbett für Reddy und ihre Jungen dient. Die Kiste hat einen Ehrenplatz an der blinden Wand in der Küche erhalten. Das antike Schaukelpferd musste dafür in die Diele umziehen. Neben dem Karton steht Reddys Futternapf. In den Wirtschaftsraum habe ich ein Katzenklo gestellt, in der Hoffnung, dass sie es findet und benutzt. Wenn es nach mir ginge, blieben Mutter und Kinder vorerst bei uns im Haus. Im Stall ist es nachts zu kalt für die Kleinen, und ich kann sie dort nicht richtig beobachten.
    Ich hoffe, dass Harald damit einverstanden ist und er die Katzenfamilie nicht gleich nach seiner Heimkehr mitsamt Karton in die Scheune oder den Stall bringt. Seitdem ich vom Tierarzt zurück bin, hatte ich noch keine Gelegenheit, ihm Bescheid zu sagen.
    »Zwei finde ich mehr als genug«, erwidere ich, während ich mehrere Plastiktüten voller Smarties-Schachteln öffne. Der Küchentisch ist übersät mit altmodischen, spitzen Papiertüten, neunundzwanzig Stück, um genau zu sein. In jede habe ich bereits einen Bleistift mit wackelndem Zebrakopf am Ende, ein Tütchen Puffreis und eine Schachtel Rosinen gesteckt. Charlotte hat erst am Samstag Geburtstag, feiert aber morgen schon in der Schule, mit Leckereien und kleinen Geschenken für alle, wie üblich.
    »Das kann ich verstehen, dass dir zwei Kätzchen reichen«, sagt Natalie. »Aber ich habe gedacht, Katzen bekämen immer vier oder fünf auf einmal.«
    Resolut verdränge ich den Gedanken an die drei toten Geschwister der beiden. »Scheinbar können es zwischen einem und zwölf sein.«
    »Zwölf? Tatsächlich?« Respektvoll sieht sie Reddy an, die mit halb geschlossenen Augen auf einem Bett aus Zeitungen und alten Kissenbezügen liegt und mit den Vorderpfoten Knetbewegungen macht. Die beiden Kleinen schlafen tief und fest.
    »Was hast du mit ihnen vor?«, fragt Natalie. »Willst du sie abgeben?«
    »Vielleicht behalten wir beide. Es ist meine Schuld, dass Reddy trächtig geworden ist. Ich hätte sie letzten Winter schon sterilisieren lassen sollen.« Im Stillen füge ich hinzu: Wer sich so oft und so gnadenlos den Hintern verbrennt wie ich, kann ruhig auch mal auf den Blasen sitzen …
    »Da werden sich Fleur und Charlotte aber freuen.«
    »Sie wissen noch gar nichts von meinen Überlegungen. Ich möchte es heute Abend erst mal mit Harald besprechen, und wir müssen abwarten, ob die Kleinen es überhaupt schaffen.«
    »Ach, bestimmt. Warum denn nicht?«
    Ich werfe einen Blick auf die Küchenuhr, eine schmiedeeiserne, rostige Scheibe, die Harald vor drei Jahren von einem Kunden übernehmen konnte. Viertel nach sechs. Harald ist immer noch nicht zu Hause. Es kommt zwar öfter vor, dass es bei ihm etwas später wird, schließlich hat er keinen geregelten Bürojob.
    Aber meistens sagt er wenigstens kurz Bescheid.
    »Claire? Hallo?« Natalie versetzt mir einen Stups. »Fehlt den Jungen denn irgendetwas?«
    Ich blicke auf. »Sie sind untergewichtig, meint der Tierarzt. Zu klein und dadurch auch anfälliger.«
    »Ach, die schaffen das schon. Tiere sind zäh.« Sie steht auf und schüttelt ihre Locken zurecht. »Ich bin dann mal wieder weg. Sannes Geigenlehrer hat sie letzte Woche um halb sieben abends einfach vor die Tür gesetzt. Ein toller Lehrer, aber schon ein bisschen sonderbar. Sag, gehen wir zwei denn bald mal wieder zusammen Mittagessen?«
    »Natürlich.«
    »Ich muss nur noch mal eben kurz auf die Toilette.«
    Während Natalie das Wohnzimmer in Richtung Diele durchquert, klingelt das Telefon auf dem Küchentisch. Ich melde mich.
    »Claire? Ich bin’s.«
    »Harald! Wo steckst du denn?«
    »In Amsterdam.«
    »Aber du wolltest doch heute einen Bürotag einlegen?«
    »Wollte ich, aber mir ist etwas dazwischengekommen.« Seine Stimme klingt merkwürdig gehetzt.
    »Etwas Schlimmes?«
    »Nein. Nein, nein … Ganz normal. Besprechungen … Ich erzähle es dir später.«
    »Gut. Macht es dir etwas aus, wenn wir schon einmal ohne dich zu Abend essen? Es ist schon fast halb sieben. Ich stelle dir deine Portion dann in den Kühlschrank.«
    »Ich, äh … Ich esse hier.«
    Sein schneller Atem beunruhigt mich. »Harald? Geht es dir gut?«
    »Ja, ja. Ich habe nur zu viel getrunken.«
    Ich runzle die Stirn. Harald trinkt normalerweise in Maßen. Er nimmt sich Zeit für ein gutes Glas und genießt es.

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