Abschied in Dunkelblau
Dach von Strähnen hervor ansehen. Sie war für die Gelegenheit zu gut angezogen, trug das zur Grundgarderobe gehörende kleine Schwarze, Perlenclips und eine winzige, glitzernde Handtasche.
Chook stellte uns atemlos vor, und wir gingen hinein. An Chook gemessen, war sie ein wenig älter. Vielleicht sechs-oder siebenundzwanzig. Eine braunäugige Blonde mit hilflosem, traurigem Bassetblick. Um die Augen herum war sie ein bißchen verwelkt. Im Licht der Lounge konnte ich sehen, daß ihr das kleine Schwarze schon lange gute Dienste geleistet hatte. Ihre Hände sahen etwas rauh aus. Allerdings steckten unter dem leicht bauschigen Rock des schwarzen Kleides unverwechselbare Tänzerbeine, kurvig und schlank und sehnig.
Chookie sagte: »Cathy, du kannst Travis McGee ruhig die ganze Sache erzählen, wie du sie mir erzählt hast. Ich bin hier fertig, also laß’ ich euch alleine und nehme ein Bad, wenn das okay ist, Trav.«
»Bitte, nimm doch ein Bad.«
Sie gab mir einen ziemlich scharfen Klaps hinter die Ohren, ging in die Kapitänskajüte und machte die Tür hinter sich zu.
Man konnte spüren, daß Catherine Kerr sehr angespannt war. Ich bot ihr etwas zu trinken an. Sie nahm dankbar an, einen Bourbon mit Eis.
»Ich weiß gar nicht, ob Sie da etwas machen können«, sagte sie. »Vielleicht ist das dumm von mir. Ich weiß nicht, ob überhaupt jemand etwas tun kann.«
»Vielleicht kann überhaupt niemand etwas machen, Cathy. Gehen wir einfach davon aus, daß der Fall hoffnungslos ist, dann sehen wir weiter.«
»Ich habe eines Abends nach der letzten Show zuviel getrunken und es ihr erzählt, ich hätte das eigentlich niemandem erzählen sollen.«
In ihrer hellen, näselnden Stimme konnte ich eine Spur jenes Akzents entdecken, jenes Singsangs, mit dem die Leute in den Florida Keys sprechen.
»Ich bin verheiratet, jedenfalls so gut wie«, sagte sie trotzig. »Er hat sich vor drei Jahren davongemacht, und ich habe seither rein gar nichts mehr von ihm gehört. Ich habe einen fünf Jahre alten Jungen, um den kümmert sich meine Schwester, unten in Candle Key, in unserem Elternhaus. Deshalb stinkt mir das Ganze so, nicht so sehr wegen mir, sondern wegen Davie, meinem Jungen. Man wünscht sich viel für ein Kind. Vielleicht habe ich zuviel geträumt. Ich weiß auch nicht so recht.«
Man muß warten, bis sie von selbst zur Sache kommen.
Sie nippte an ihrem Whisky und seufzte und zuckte mit den Schultern. »Folgendes ist passiert, als ich neun Jahre alt war. Das war neunzehnhundertundfünfundvierzig. Das war, als mein Daddy vom Krieg heimkam. Sergeant David Berry. Das ist mein Mädchenname, Catherine Berry. Ich habe meinen Jungen auf seinen Namen getauft, obwohl mein Daddy schon längst im Gefängnis saß, als der Junge geboren wurde. Ich nehme an, daß folgendes geschehen ist, daß mein Daddy eine Methode gefunden hat, zu Geld zu kommen, als er im Zweiten Weltkrieg in Übersee stationiert war. Zu einer Menge Geld, glaube ich. Und er hat eine Methode gefunden, es mit nach Hause zu bringen. Ich weiß nicht, wie. Er war drüben in Indien und Burma. Er war mehr als zwei Jahre weg. Er war ein Trinker, Mr. McGee, und ein starker Mann, und er war jähzornig. Er kam mit einem Schiff zurück und ging in San Francisco von Bord. Sie wollten ihn irgendwohin nach Florida schicken, um ihn formell aus dem Militärdienst zu entlassen, dann wollte er nach Hause kommen. Aber er hatte sich in San Francisco betrunken und einen anderen Soldaten umgebracht, und weil er gedacht hatte, sie würden ihn festhalten und er würde uns alle nicht Wiedersehen können, riß er sich los und rannte davon. Er schaffte es bis nach Hause. Daß er davongerannt war, machte sich beim Prozeß nicht gut. Es war ein Militärgerichtsverfahren, wie es so üblich ist. Er kam mitten in der Nacht nach Hause, und als wir aufstanden, saß er draußen auf dem Anlegesteg und starrte einfach nur ins Wasser. Es war ein nebliger Tag. Er erzählte meiner Mutter, was geschehen war. Mein Vater sagte, sie würden kommen und ihn holen. Ich habe noch nie eine Frau so weinen sehen, weder vorher noch seither. Sie kamen und holten ihn ab, wie er gesagt hatte, und sie sperrten ihn lebenslänglich ins Gefängnis von Leavenworth in Kansas. Er hatte einen Offizier getötet. Meine Mutter hat damals an Weihnachten einen Bus genommen und ihn besucht, und von da an jedes Jahr an Weihnachten, bis er vor zwei Jahren starb. Wenn genug Geld da war, hat sie mich oder meine Schwester mitgenommen.
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