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Abschied in Dunkelblau

Abschied in Dunkelblau

Titel: Abschied in Dunkelblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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stehlen. Manchmal bekomme ich Hinweise von früheren Kunden. Und wenn man sich einen Stapel Zeitungen vornimmt und sorgfältig liest, auch zwischen den Zeilen, kann man einen fetten, glücklichen Y und einen armen, verzweifelten X auftreiben. Ich arbeite gern an größeren Sachen. Die Spesen sind heftig. Und dann kann ich wieder ein Stück von meinem Ruhestand nehmen. Anstatt mit sechzig in den Ruhestand zu treten, nehme ich ihn stückweise, wie es mir gerade paßt.«
    »Was wäre, wenn gerade jetzt ein Auftrag käme?«
    »Wechseln wir das Thema, Miss McCall. Warum nimmst du dir nicht ein bißchen Urlaub und machst Frank hochgradig nervös? Wir holen eine Clique zusammen, machen eine Party auf dem Hausboot und schippern nach Marathon runter? Sagen wir mal, vier Herren und sechs Damen? Keine Betrunkenen, keine Nörgler, keine festen Paarungen, keiner von zweifelhaftem Geschlecht, keine Kamerafreaks, keiner, der Sonnenbrand bekommt, keiner, der nicht schwimmen kann, keiner, der ...«
    »Bitte, McGee. Ich meine es wirklich ernst.«
    »Ich auch.«
    »Da ist ein Mädchen, mit dem solltest du bitte einmal sprechen. Ich habe sie vor zwei Monaten für die Tanztruppe angeheuert. Sie ist ein bißchen älter als wir anderen. Sie hat früher getanzt und arbeitet sich sehr gut wieder ein. Aber ... ich glaube, sie braucht wirklich Hilfe. Und ich glaube nicht, daß sie zu irgend jemand anderem gehen kann. Sie heißt Cathy Kerr.«
    »Tut mir leid, Chook, aber im Augenblick habe ich noch für Monate ausgesorgt. Ich arbeite am besten, wenn ich unruhig werde.«
    »Sie glaubt aber, daß es wirklich um einen Haufen Geld geht.«
    Ich starrte sie an. »Sie glaubt?«
    »Sie hat es nie zu sehen bekommen.«
    »Hab’ ich richtig gehört?«
    »Neulich nachts war sie ein bißchen betrunken und sehr weinerlich, da bin ich nett zu ihr gewesen, also ist sie mit der ganzen Sache herausgeplatzt. Aber sie sollte dir das selbst erzählen.«
    »Wie hat sie denn etwas verlieren können, was sie nie gesehen hat?«
    Chookie hatte jenes kleine Anglerlächeln aufgesetzt, welches bedeutet, daß der Haken sitzt. »Das ist mir wirklich zu kompliziert. Ich könnte alles durcheinanderbringen. Würdest du nur mit ihr reden, Travis? Würdest du das tun?«
    Ich seufzte. »Bring sie irgendwann vorbei.«
    Sie kam auf leisen Pfoten geschmeidig zu mir herüber, nahm mein Handgelenk und schaute auf die Uhr. Ihre Atmung hatte sich beruhigt. Ihr Trikot war vom Schweiß dunkel und saß beinahe so eng wie ihre gesunde Haut. Sie strahlte auf mich herunter.
    »Ich hab’ gewußt, du würdest lieb sein, Trav. Sie ist in zwanzig Minuten hier.«
    Ich schaute zu ihr hoch. »Das war ein ganz gemeiner Trick, McCall.«
    Sie tätschelte meinen Kopf. »Cathy ist wirklich nett. Sie wird dir gefallen.« Sie ging zur Mitte der Lounge zurück, warf ihr Metronom wieder an, studierte ihre Aufzeichnungen und machte sich wieder an die Arbeit, sprang und stampfte und gab dabei vor lauter Anstrengung kleine Grunzlaute von sich. Setzen Sie sich beim Ballett nie in die erste Reihe!
    Ich versuchte, mich wieder mit Fahrrinnen und Gezeiten zu befassen, aber meine ganze Konzentration war dahin. Ich mußte mit der Frau reden. Aber ich würde mich ganz bestimmt nicht in irgendein unsinniges Projekt hineinziehen lassen. Das nächste war schon ins Auge gefaßt, und es wartete nur darauf, bis ich soweit war. Ich hatte Ablenkung genug. Ich brauchte nicht noch mehr. Ich war leicht amüsiert, daß Chook sich gefragt hatte, woher die Projekte kamen. Sie war der lebende Beweis dafür, daß sie jederzeit auftauchten.
    Pünktlich um neun erklang das Dingdong der Türglocke, die ich an einen Klingelknopf an einem Pfosten der Landungsbrücke angeschlossen hatte. Sollte jemand die Klingel nicht beachten, über die Kette steigen und meinen Laufsteg herunterkommen, ertönt in dem Augenblick, in dem er auf die Fußmatte auf dem Hinterdeck tritt, ein bedrohlicher Gong, der schlagartig viele Schutzmaßnahmen einleitet. Ich kann Überraschungen nicht ausstehen. Ich habe zu viele erlebt. Sie regen mich auf. Alle vermeidbaren Gefahren auszuschließen, ist die wahrscheinlichste Methode, am Leben zu bleiben.
    Ich knipste die Lichter am Achterdeck an und verließ die Lounge durch die hintere Luke, während Chookie McCall hinter mir nach Luft schnappte.
    Ich ging hoch und hakte die Kette aus. Sie war eine sandfarbene Blondine mit so einem englischen Schulbubenhaarschnitt, bei dem einen große Augen unter einem unregelmäßigen

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