Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
Sündenbock machte, setzte dem Ganzen noch die Krone auf. Nun gut, dass aus Ihm der Sündenbock gemacht wird, wird für Ihn nichts Neues gewesen sein, aber das Sein eigener Sohn ihn anschwärzt... Mir wurde ganz schwarz vor Augen, als ich das ganze Ausmaß meiner Verfehlung erkannte. Opa aber drückte mir erneut eine Zigarette in die Finger und hieb mir einmal kräftig auf den Rücken:
» Jetzt verzag’ nicht, Jung’, wenn Satan dir wirklich nachhaltig grollen würde, dann wäre ich ja wohl kaum hier! Außerdem hast du dich eh schon genug selbst gestraft, hast dir, ganz der Vater, Deine eigene kleine Hölle geschaffen!
Ja, Deine Nachgrübeleien über Dinge, die du nicht im Griff hast, haben dich richtiggehend in Teufels Küche gebracht. Und genau hier liegt der Kasus Knacksus dieser ganzen unglückseligen Geschichte, die dein bisheriges Leben ist: Dinge, die du nicht im Griff hast, da du sie eigentlich überhaupt nicht im Griff haben solltest! Denk’ nur an Deine Gespräche mit Magdalena! Der Mörder als Künstler, die Morde sein Werk, logische Folge eines gestalterischen Geistes, der nach Vollendung strebt. Ausdruck seiner einzigartigen, unverwechselbaren Handschrift. Mein Gott, Jung’, Magdalena hatte vollends recht, als sie meinte, du lägst damit neben der Spur! Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man glatt auf den Gedanken kommen, dass Satan schon da eingriff und aus Magdalena sprach, um dich auf den rechten Weg zu bringen. Aber von wegen rechter Weg! Was war das Ergebnis dieser Gespräche und deiner Grübeleien?! Der Sammler ! Ein philosophischer Mörder. Er ist so, wie du gerne wärst: Organisiert und kontrolliert. Nicht nur, dass er sein Vorgehen systematisch plant, sondern er ist auch fähig, diesen Plan systematisch in die Tat umzusetzen. Weil er sich im Griff hat, hat er alles im Griff. So sehr im Griff, wie du auch gerne dein Leben im Griff gehabt hättest. Und dass du dich ständig an diesem Ideal gemessen hast, war dein Tod! Vorbilder sind eine gute Sache, Jung’, aber du, du hast dem falschen Götzen gehuldigt und dich Ihm zu guter Letzt geopfert. Denn dieses Wunschbild eines planvoll vorgehenden, einer höheren Idee verpflichteten, kontrollierten Mörders war die Bruststätte deines ewigen schlechten Gewissens.
Schlecht! Schlecht! Impulsiv, launisch, planlos! Von einer Handschrift keine Spur! so flüsterte es dir dein schlechtes Gewissen ein, weil du dich von deinen Gefühlen übermannen ließest. Weil du nach Lust und Laune gemordet hast, oder besser noch, nach Unlust und Laune, schrittest du doch immer dann zur Tat, wenn jemand dir nicht zu Willen sein wollte oder für dich eine Quelle der Frustration war.
Diese Stimme war es, die dir große Teile sowohl deines ersten Romans als auch deiner Aufzeichnungen hier...«, Opa schlug mit seiner flachen Hand auf die vielen Blätter, die immer noch auf seinem Schoß lagen, »als auch das hier diktierte! Diese Stimme war es letztlich, die dich mit ihrem Kichern und Gelächter fast in den Wahnsinn trieb. Oder um es in deiner Sprache auszudrücken: Dein Ich wurde in diesem so entstandenen ständigen Konflikt zwischen Über-Ich und Es aufgerieben! Wie steht es in einem deiner schlauen Bücher: Wo Es war, soll Ich werden! Tolle Idee dieses verklemmten Wiener Doktors. Eine tolle Idee für alle, die nichts anderes als normal sein wollen, die nichts anderes als normal sind. Aber Jung’, normal warst du nie! Bist es von Anfang an nicht gewesen und – ich hoffe, du siehst es nach all dem hier Besprochenen endlich ein – solltest es auch nicht sein!
Chaos ist Deine Natur, Willkür das Gesetz deines Lebens! Wenn es eine Regel gibt, die deinem Leben sein Ziel geben soll, dann die Regellosigkeit. Du bist nichts anderem verpflichtet als deinen Launen! Wenn ich nur dran denke, welch’ herrliches Chaos du nach deiner Lesung hinterlassen hast!
Damit wir uns richtig verstehen, eine gewisse Planung ist natürlich vonnöten, wenn man der Willkür zu ihrem Recht verhelfen will. Und diesen Teil des Ganzen hast du ja auch ziemlich gut hinbekommen! Denn was bringt es, seinen Launen freien Lauf zu lassen, wenn nach ein- oder zweimal schon Schluss mit lustig ist, weil man gefasst wird. Aber selbst das war vor dem gestrengen Auge deines Super-Ichs keinen Pfifferling wert! Und das, obwohl du kapiert hast, wie wichtig diese gewisse Umsicht ist! Unschwer zu sehen an deiner Figur des Sammlers ! Aber da diente es ja einem höheren Plan, sich nicht erwischen zu
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