Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
Worte sind im bekannt, die rufen ihm die anderen Kinder hinterher, wenn er in den seltenen Fällen draußen an der frischen Luft ist. Nein, er ist nicht normal, er wusste es schon immer, und nicht erst, als er entdeckte, dass es ihm Freude bereitete, Fliegen zu fangen, Spinnen, alles Kleingetier, was sich zu nah an ihn in seinem Gipsbett heranwagte, um ihnen die Beine herauszureißen, jedes Bein einzeln, um ihnen ihre kleinen Körper zu zerbrechen, wie sie ihm seinen kleinen Körper zerbrochen hatten, wie seine Mutter ihm seinen Körper zerbrochen hatte, da sie ihn nicht loslassen wollte, da sie ihn nicht hergeben wollte und ihn nicht schnell genug aus ihrem Leib ließ. Ja, er wusste, dass er nicht normal war, nicht erst, seit er so weit aufrecht und gut gehen konnte, dass er auch Hunde und Katzen erwischte, um ihnen die Knochen zu brechen, nicht erst, seitdem er dieses andere, viel kleinere Kind in den Wald locken konnte... Und dann später, als er dem ersten Mädchen, mit dem er Sex hatte, das Genick brach und er einen Höhepunkt dabei hatte, da wusste er, wie viel Freude es machen kann, nicht normal, sondern eine Bestie zu sein.«
Magdalena hatte sich wieder richtig in Rage geredet, ihre geröteten Wangen hatten etwas wahnsinnig Anziehendes an sich, und als sie dann ihre mit Schwung entworfene Serienmörderskizze mit den Worten: »Ja, warum noch lange über deinen Mörder nachgrübeln, wenn der gute Stoff doch gewissermaßen direkt vor deiner Nase liegt!« beendete, mir dabei demonstrativ mit dem mittlerweile fertiggebauten Joint an die Nase tippend, da konnte ich nicht mehr an mich halten. Ich nahm sie wörtlich. Womit ich natürlich nicht den Joint meine. Vielmehr rückte ich näher und versuchte, sie zu küssen. Versuchte es, denn sie entzog sich meiner Annäherung lächelnd mit den Worten: »Nein, noch nicht! Nicht so schnell!«
Ich hatte durchaus verstanden, dass sie nicht von Ablehnung, sondern von Aufschub sprach, dennoch fühlte ich mich zurückgestoßen: Nicht so schnell! sagt sie , schoss es mir durch den Kopf, während ich auf Abstand ging. Lächelt als könne sie kein Wässerchen trüben und lässt mich dennoch unter ihren Rock schauen, als wäre dies das Selbstverständlichste auf der Welt! Aber nun gut, ein Nein! ist ein Nein! Wenn sie das Tempo bestimmen will, mir soll es recht sein. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Und so wechselte ich das Thema, oder vielmehr, ich kam auf das eigentliche Thema des Abends zurück:
» So wie du das darstellst, habe ich das noch gar nicht gesehen. Wahrscheinlich deswegen nicht, weil ich mich wegen meiner orthopädischen Schwierigkeiten nie anormal oder ausgestoßen gefühlt habe. Bin überhaupt noch nicht auf die Idee gekommen, meinem gebeutelten Kinderkörper einen anderen Charakter beizugeben und aus meiner glücklichen Kindheit eine Hölle zu machen. Aber jetzt, wo du das so sagst, liegt es wirklich beinahe auf der Hand, vom Teufel sagt man ja auch, er humpele.«
Da beugte sich Magdalena plötzlich vor und strubbelte mir mit einer schnellen Bewegung ihrer einen Hand durch die Haare: »Da lass’ dir das Mal durch den Kopf gehen, mein kleiner Teufel!«, hielt mir mit ihrer anderen Hand den Joint vor die Lippen und meinte lächelnd noch: »Hier, damit du heute Nacht nicht ganz ohne Entspannung auskommen muss!«
6.
In dieser Nacht schlief Magdalena bei mir im Bett. Es war so spät, bzw. so früh geworden, dass sie nicht nach Hause gehen wollte. Ich schlief auf dem Sofa. »Versteh’ mich nicht falsch!«, hatte sie gesagt, als sie mich fragte, ob sie auf dem Sofa schlafen könne, sie würde mich wirklich gern mögen, aber: »Für etwas anderes ist es noch zu früh!« Draußen war es derweil schon hell geworden, aber die Bemerkung, wie früh es denn bei unseren nächtlichen Treffen noch werden müsste, hatte ich mir verkniffen, ihr natürlich das Bett angeboten und es mir auf dem Sofa gemütlich gemacht.
Und wie ich dort auf dem Sofa lag, lange noch wach lag, während Magdalena nur ein paar Schritte entfernt nackt unter meiner Bettdecke schlief, also als ich dort auf dem Sofa lag, ihre achtlos hingeworfene Kleidung auf dem Boden betrachtend und den Geräuschen der schon längst erwachten Stadt lauschend, da klopfte es an der Tür. Ich rief »Herein!« und mein Mörder betrat die Szene.
Er ging stumm durch das Zimmer und hob Magdalenas Kleid auf, drückte es an sein Gesicht, roch daran. Dann trat er ans Bett und zog die Bettdecke von Magdalenas Körper
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