Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Titel: Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Boscher
Vom Netzwerk:
kommunikativer Prozess. Ebenso wenig wie es ohne Methode keine Ergebnisse gibt, gibt es ohne Kommunikation keine Nachprüfbarkeit. Ohne diese sind Ergebnisse wiederum wertlos. Aber Wissenschaft ist Menschenwerk, und so ist der Irrtum nicht fern. Wenn ich mich also irre, so soll die möglichst detaillierte Sammlung von letzten Worten anderen Forscher dazu dienen, meine Irrtümer auszumerzen. Beseelt von dieser Hoffnung lege ich ihnen nun mein Datenmaterial vor.
     
     
    Und die Arbeit, dieses Datenmaterial zusammenzustellen, seine Untersuchungen zu protokollieren, den Sammler der letzten Worte bei der Durchführung seiner Methode zu beschreiben, nahm mich ganz ein, diese Aufgabe gab meinem Leben Struktur. Es war wie ein Schluck klaren Wassers nach langer Durststrecke. Suchend war ich durch die Wüste gewandert, orientierungslos, unfähig eine einmal eingeschlagene Richtung beizubehalten, mit trockener Kehle und aufgerissenen Lippen im Kreis laufend, am Ende eines jeden Tages von der Rettung genauso weit entfernt wie am ersten Tage meiner Odyssee. Plötzlich aber hatte ich das Gefühl, dass sich mir eine rettende Hand entgegenstreckte, mich labte und mir den rechten Weg zeigte.
    Ich setzte mich an meine Schreibmaschine und schrieb drauflos. Registrierte kaum, dass Magdalena mir Stunden später einen Kaffee brachte und sich damit von mir verabschiedete. War die Arbeit am Roman bis dahin eine Krux gewesen, ein mühsames Unterfangen, so ging mir das Schreiben nun so einfach wie Atmen von der Hand. Nun war es endlich nicht mehr der Altpapiercontainer, der überquoll von Blut, endlich stapelten sich die Leichen auf meinem Schreibtisch. Wie gut es mir damit ging.
    Ich war so gefangen vom Schreibprozess, dass ich noch nicht einmal mitbekam, dass Magdalena sich einige Tage lang nicht meldete. Nicht, dass ich sie vergessen hatte, beileibe nicht, schon allein deswegen nicht, da sie es ja schließlich gewesen war, die mir den Schubs gegeben und mich auf den Weg gebracht hatte, und ich natürlich neugierig war, zu erfahren, was sie von meinem Mörder hielt. Nur hatte ich beim Schreiben völlig die Zeit vergessen, die mir gemeinsam mit den Menschen war, ich war ganz und gar in der Zeit meines Romans gefangen.
    Und als dann Magdalena einige Tage später wieder bei mir auftauchte, da war mir, als hätte sie mir erst vor einigen Minuten den Morgenkaffee gebracht. Ich begann erst zu realisieren, dass bereits Tage vergangen waren, als Magdalena den gehörigen Stapel Blätter in die Hand nahm, den ich seit ihrem Weggang produziert hatte. Dies realisierte ich vollends erst, als Magdalena mich mit den Worten »Jetzt bin ich soweit!« an sich zog, und ich mich dann mit ihr inmitten meiner Manuskriptblätter auf dem Boden wiederfand.
     
    7.
     
    Wenn ich geahnt hätte, dass es bei diesem einen Mal zwischen Magdalena und mir bleiben sollte, wäre ich vielleicht mehr bei der Sache gewesen (ich hätte es wenigstens versucht). Aber mir spukte ständig die Handlung meines Romans durch den Kopf. Sicher, ich genoss den Sex mit Magdalena (also jedenfalls das Gefühl, dass sie endlich Sex mit mir wollte), berauschte mich vor allem an der Gewissheit, dass sie nun vollends mein war, da nun die Mauer zwischen uns gefallen war, aber dennoch war ich vor allem begierig, ihr von meinem Mörder zu erzählen.
    Davon, dass er sich aus seiner schweren Kindheit erhob wie Phönix aus der Asche und schließlich in Wuppertal Philosophie studierte, wollte ich sprechen. Und von seiner Suche nach geeigneten Exempeln für seine Sammlung an allen möglichen Orten in Wuppertal, die Magdalena ja ebenso gut wie ich kannte. Wie ein hungriges, aber dennoch geduldig auf seine Chance wartendes Tier durchstreifte ertagsüber die Uni, sprach hier und da in der Cafeteria, auf den Gängen oder vor den Kaffeeautomaten Frauen an. Denn verlangte seine Methode auch nach repräsentativer Auswahl (also auch nach Männern), so sah er es dennoch nicht als ein unerlaubtes Abweichen von seiner Methode an, sich zunächst vor allem Exemplare gemäß seinenpersönlichen Neigungen zu suchen (solange er bei der Auswertung der Ergebnisse objektiv blieb). Abends und des Nachts dann ging er in der Stadt auf die Suche. Erwurde zu einem gern gesehenen Stammgast in den Kneipen und den Discos im Tal, immer höflich, ebenso geduldig auf sein Bier wie auf eine Frau wartend, die seiner schüchternen Annäherung lächelnd begegnete und sich neugierig auf ein Gespräch mit ihm einließ, das eigentlich

Weitere Kostenlose Bücher