Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Titel: Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Boscher
Vom Netzwerk:
die Eingangstür der Kneipe, um hereintretende Frauen mit einem Lächeln zu empfangen. Ich durchstreifte die Diskotheken in Stadt und Umland, blickte auf die Tanzflächen vom RPL, Deja vu, der Börse. Blickte an den wenigen sonnigen Tagen im Freibad in die Augen zahlloser Schöner, ebenso in den Biergärten, den Straßencafés, in der Schwebebahn, im Bus, auf der Straße (um die Chancen zu erhöhen, ließ ich sogar mein Auto stehen), fuhr sogar – obwohl Semesterferien waren – an die Uni, trank in der Cafeteria einige Kaffee, ging durch die Bücherregale der Bibliothek...
    Einmal blätterte ich sogar die Sex&Co-Anzeigen aus dem Stadtmagazin durch und versuchte mein Glück bei den wenigen Nummern, die von lusthungrigen Frauen geschaltet worden waren.
    Bei einer Nummer – Bumsfreudige Brünette, brauche es be-ständig (vielleicht eine Heidegger lesende Studentin) – kam ich überhaupt nicht durch, immer besetzt. Ein beruhigendes Solidaritätsgefühl, weil anscheinend viele Männern an dieser Nummer hingen wie die Motten am Licht, wollte sich nicht einstellen. Der Gedanke, dass sie vor lauter Bumsfreudigkeit den Hörer danebengelegt hatte, führte auch nur zur Frage: Warum nicht mit mir? Bei der zweiten Nummer nahm zwar sofort die sexgeile Stute , wie sie sich in der Anzeige ebenso klischeehaft wie wirkungsvoll angepriesen hatte,den Hörer ab, und sie kam auch gleich – als ich sie auf die Annonce ansprach – zur Sache, wollte sofort einen Treffpunkt ausmachen, am Besten noch heute, aber fatalerweise erinnerte mich ihre Stimme, so froh die Botschaft auch war, die sie mir verkündigte, doch sehr an die der Käseverkäuferin um die Ecke beim Supermarkt. Geschnitten oder am Stück? hörte ich sozusagen, als sie mich fragte: »Treffen wir uns im Hotel oder bei dir?«, und als sie dann noch fragte: »Hast du vielleicht noch einen Freund, den du mitbringen könntest?« und ich dabei Darf es noch ein wenig mehr sein? im Ohr hatte, da legte ich einfach auf. Tja, gegen die Wurstverkäuferin hätte ich ja nichts gesagt, die war ansehnlich und gepflegt und lächelte mich immer so nett an, ja, mit einer Frau, die ihre Stimme gehabt hätte, hätte ich gut und gerne ins Bett gehen können, und dann hätte es dann ruhig noch ein wenig mehr sein dürfen, egal ob geschnitten oder am Stück . Aber die Käseverkäuferin... So dringend hatte ich es auch nicht nötig. Und so rief ich gleich die dritte und leider letzte Nummer an: Bin neu in der Stadt, suche Gleichgesinnte für alles, was Spaß macht . Diese Anzeige war aber wohl in der falschen Rubrik abgedruckt worden. »Ruft jetzt jeder notgeile Arsch bei mir an?!«, blaffte mir die völlig entnervte Dame entgegen. So kann es halt passieren, und dann kein AB, um Anrufe zu selektieren. Das war zwar amüsant, brachte mich aber meinem Ziel auch nicht näher.
    Nichts brachte mich meinem Ziel näher. Es war zum Haare ausraufen, als hätte sich das Schicksal gegen mich verschworen. Auch der Trumpf in meiner Hand, der Bierdeckel mit der Telefonnummer der Unscheinbaren, wollte nicht ziehen. Ich versuchte es zu jeder Tages- und Nachtzeit, aber zwecklos. Hoffte ich auch auf Freizeichen von den Frauen, so konnte ich mit dem des Telefons wirklich herzlich wenig anfangen.
    Warum gibt sie mir ihre Nummer, wenn sie dann doch nie da ist? Wenn sie wenigstens einen Anrufbeantworter hätte. Würde mir das Gefühl geben, meinem Ziel wenigstens ein Stück weit näher zukommen. Muss zugeben, dass mir dieses Warten – Geht sie jetzt ran oder wieder nicht? – an die Nieren ging.
    Ich schlief in jener Zeit eh schlecht, denn zu allem Überfluss beschäftigte mich die Unscheinbare so sehr, dass ich von ihr träumte – und das, ohne ins Detail gehen zu wollen, auf höchst unangenehme Weise. Meine Nerven waren gespannt wie die sprichwörtlichen Drahtseile. Zum Glück hatte ich meine Aufzeichnungen. Nicht auszudenken, wie schlecht ich mich gefühlt hätte ohne meine seit Jugendzeiten fortgeführten täglichen Notizen, ohne meine mich beruhigenden, alphabetischen Exerzitien. Gleichwohl: Manchmal, wenn ich minutenlang dem Freizeichen zugehört hatte oder wenn ich mitten in der Nacht wieder aus diesem Traum aufschreckte, da dachte ich, gleich drehst du durch . Und immer wieder nahm ich mir vor: Nein, du wählst diese Nummer nicht mehr, vergiss die ganze Sache!
    Dennoch schlich ich, wenn ich zu Hause war, ums Telefon herum. Wie ein Rudel streunender Köter um eine läufige Hündin umkreiste ich das Telefon,

Weitere Kostenlose Bücher