Abschied nehmen
schütteten ihm kaltes Wasser über den Kopf oder schlugen ihm zur Belebung mit aller Härte ins Gesicht. Und sobald er wieder bei Besinnung war, machte Wentworth mit aller Brutalität und teuflischem Vergnügen weiter.
Ihr Vater hätte am liebsten das Podest gestürmt und hätte dem schwitzenden Major und seinen beiden Gehilfen mit einem einzigen Hieb seiner Faust, das Hirn zerschmettert, doch Robert hatte ihn zurückgehalten. Er hatte die Hand auf den stählernen Oberarm seines Freundes gelegt und ihm deutlich gemacht, dass sie wie die Mackendricks ihre Quittung dafür bekommen würden, doch nicht jetzt! So war Marcus bei ihnen geblieben, doch je länger er untätig zusehen musste, desto mehr glich er einem wilden Tier, das in einen Käfig gesperrt worden war. Er stand zwar unbewegt da, doch seine Anspannung und seine Unruhe waren deutlich zu spüren und in seinem Innern schrie er aus Leibeskräften.
In Kate waren hingegen inzwischen alle Schreie verstummt. Der Schmerz war irgendwann einfach so übermächtig geworden, dass ihr Körper scheinbar die Notwendigkeit gesehen hatte, sie zu schützen und hatte vermeintlich sämtliche Empfindungen in ihr abgetötet. Zumindest lag nun ein Schleier wie dichte Nebelschwaden über ihnen, sodass sich ihr Schmerz nicht mehr wie ein scharfer Stachel in ihr Herz bohren konnte, um sie langsam aber sicher um den Verstand zu bringen. Oder hatte er dies inzwischen? Es war ihr gleich, die Taubheit in ihrem Innern bot ihr jedenfalls eine Verschnaufpause von dem, was unweigerlich wiederkehren würde.
Der Schneefall war inzwischen stärker geworden und Kate beobachtete nun die Flocken, die Williams schweißnasses Haar bedeckten. Nicht mehr lange, mein Liebling, dann ist es vorbei, dachte sie ungerührt, während die Peitsche sich in sein Fleisch bohrte, nicht mehr lange, dann wirst du erlöst.
Zwei Mal verlor William noch das Bewusstsein, wurde wieder erweckt und dann war es tatsächlich vorbei. Der Henker und sein Gehilfe befreiten seine Hände vom Hacken und schleppten ihn zum Galgen, weg von Wentworth, von dessen Unbarmherzigkeit selbst sie erschrocken waren.
Sie arbeiteten so schnell es ging, schienen Mitleid mit dem armen, geschundenen Teufel zu haben, doch William an den Galgen zu bringen, erwies sich als nicht so einfach. Er war nicht mehr recht bei Sinnen, seine Beine wollten ihn schon seit Längerem nicht mehr tragen und so musste einer von ihnen den schweren, beinahe leblosen Körper halten, während der andere ihm die Schlinge um den Hals legte.
Auf dem Richtplatz war es nun vollkommen still. Alles, was zu hören war, waren das Ächzen des Henkersgehilfen, der sich mit Williams Körper abmühte und das Heulen des Windes. Marcus konnte kaum noch hinsehen, Williams Kopf in der Schlinge, die nun geschwind zugezogen wurde, war ein Anblick, den er nicht so einfach ertragen konnte. Doch er wusste auch, dass der bevorstehende Tod nur noch eine Erlösung für seinen Freund sein würde und so betete auch er darum, dass es schnell gehen möge. Und ein einziges Mal an diesem Tag war Gott nun doch gnädig und gewährte William, nach all dieser seelischen und körperlichen Folter, einen schnellen Tod.
Der Henkersgehilfe, der William bis eben noch festgehalten hatte, ließ ihn auf ein Zeichen hin los, die Falltür sprang mit einem dumpfen Knall auf, und während der Schnee weiterhin leise auf ihn nieder rieselte, fiel Williams träger Körper mit einem Ruck durch die Öffnung und beendete ein für alle Mal seine Qualen.
29. Kapitel
Kate fiel weich. Angus hatte rasch reagiert, als ihre Beine unter ihr weggeknickt waren und sie aufgefangen. Nun lehnte sie bewusstlos an seiner Brust, während Lilidh neben ihr kniete. Ein kurzer Blick reichte aus, um die feuchte Lache, die sich zwischen den Beinen ihrer Tochter ausbreitete, zu bemerken und alarmiert sah sie zu Marcus auf.
„Das Kind kommt! Wir müssen sie fortbringen!“, sagte sie und die Männer, die einen Kreis um sie herum gebildet hatten, um zu verhindern, dass Kate von der aufbrechenden Menge zertrampelt wurde, merkten auf.
Marcus ging augenblicklich neben seiner Tochter in die Hocke und ein Blick in Lilidhs Augen sagte ihm, wie ernst die Lage war. Von dem Risiko der ersten Geburt mal ganz abgesehen, war es noch zu früh für das Kind und Kates Zustand alles andere als gut. Als Marcus nun klar wurde,
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