Abschied nehmen
„Da hast du so Recht“, sagte George und hob sein Glas zum Toast an. „Auf unsere gemeinsame Zeit. Ganz gleich wie lang sie ist, möge sie nicht von Leid und Tränen, sondern von herzlicher Freude erfüllt sein.“
Williams Blick wurde traurig und er schluckte. Bald würde er es ihnen sagen müssen. Bald würde er ihnen klar machen müssen, wie wenig Zeit ihnen tatsächlich geblieben war.
„Wo du doch gerade von schönen Frauen gesprochen hast, Jamie. Erzähl doch mal ein wenig von deiner Claudia.“
Dankbar für die Ablenkung griff William den Faden seines Vaters auf und bohrte mit einem schelmischen Grinsen nach.
„Wer ist denn Claudia? In deinem letzten Brief erwähntest du nichts von einer Claudia. Aber nicht, dass dafür auf dieser einen Seite, über die du dir anscheinend geschworen hast, nicht hinauszukommen, noch Platz gewesen wäre“, neckte William ihn und Jamie griff zu der schon so häufig vorgebrachten Entschuldigung.
„Ach William, du weißt doch genau, dass ich nicht so ein großer Schreiber bin.“
Oh ja, das wusste William, und auch wenn er zu Beginn über die kurzen Briefe seines Freundes enttäuscht gewesen war, zog er ihn nun nur noch damit auf. Anfangs hatte er angenommen, dass Jamie schlichtweg zu faul war, um mehr zu schreiben, doch es war schlicht und ergreifend so, wie Jamie sagte: Er war einfach kein großer Schreiber. Und dass er überhaupt eine Seite zusammenbekam, war mit großen Anstrengungen verbunden, die er nur für William auf sich nahm.
„Ist ja schon in Ordnung. Erzähl lieber von deiner Claudia und lass diese erbärmlichen Entschuldigungen“, winkte er grinsend ab.
„Sie ist aus Leeds und lebt zurzeit hier bei ihrer Tante Lady Farling“, flüsterte George seinem Sohn über den Tisch hinweg zu. „Eine wirklich hübsche junge Frau“, fügte er noch augenzwinkernd hinzu.
„Wie hast du denn nur Lady Farling dazu gebracht, ihrer Nichte zu erlauben, sich mit dir zu treffen? Also meiner Erinnerung zufolge war sie nicht sehr gut auf uns beide zu sprechen, oder?“, fragte William mit hochgezogener Augenbraue an Jamie gewandt.
Als sie noch Kinder gewesen waren, war Lady Farlings Sohn Jeff nicht gerade Jamies und Williams bester Freund gewesen. Er war hochnäsig, besserwisserisch und unglaublich anhänglich gewesen und die beiden hatten ihm so lange böse Streiche gespielt, bis sie ihr Ziel erreicht hatten und Jeffs Mutter ihm endlich verboten hatte, mit den beiden Jungs zu verkehren. Selbst die blau geprügelten Hintern, die sie sich dafür von ihren Vätern eingehandelt hatten, nachdem Lady Farling sich persönlich über das Verhalten der beiden Jungen beschwert hatte, hatten sie dafür lächelnd in Kauf genommen.
„Ach weißt du, William, mit meinem Charme vermag ich sogar Lady Farling um den kleinen Finger zu wickeln“, entgegnete Jamie nun und warf seinem Freund seinen Verführerblick zu.
„Oh, das ist ja interessant, ich scheine wohl einiges verpasst zu haben während meiner Abwesenheit, hm? Charme habe ich an dir nämlich noch nie bemerkt“, zog William ihn auf, Jamie schnitt eine Grimasse und alle brachen in schallendes Gelächter aus. Amy klatschte dabei vergnügt in die kleinen Hände und als George sah, wie seine Tochter voller Freude zu ihrem Bruder aufsah, spielte ein leises Lächeln um seine Lippen. Endlich ist wieder mehr Leben in diesem Haus, dachte er bei sich.
„Ich hoffe nur deine Claudia hat nichts mit unserem lieben Freund Jeff gemein“, wandte William ein, nachdem das Gelächter verstummt war.
„Ganz sicher nicht, so verdreht könnten meine Sinne niemals werden. Und sie ist, wie George schon richtig bemerkt hat, bildhübsch.“ Jamies Blick wurde ganz verträumt, als er von ihr sprach.
„Du scheinst ja richtig verliebt in sie zu sein“, stellte William lächelnd fest und eine leichte Schamesröte stahl sich auf Jamies Wangen.
„Möglich wäre es“, erwiderte er leise, als alle gebannt seine Antwort erwarteten. Es war ihm ein wenig unangenehm, dass ausgerechnet sein Liebesleben zum Thema geworden war, doch das ließ sich nun nicht mehr ändern. Vor allem nicht, als Amy plötzlich in die Hände klatschend zu singen begann: „Jamie ist verliebt! Jamie ist verliebt!“ Und alle brachen erneut in lautes Gelächter aus.
Nach dem Essen begaben sie sich
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