Abschied und Wiedersehen
bastelten Quartaner unter Anleitung von Zeichenlehrer Riedel aus Draht und bronzierter Pappe zusammen; die funkelnden Edelsteine stammten aus einem ausrangierten Kristall-Lüster.
Eine Aischylos-Aufführung an einem humanistischen Gymnasium war nur recht und billig. Aber warum nicht auch eine Komödie des Plautus oder Terenz? Dr. Stock, unser Latinist, der als Kriegsandenken ein steifes, krummes Bein mitgebracht hatte, kam mit seinem Vorschlag nicht durch, vielleicht, weil man die Texte erst einer gründlichen chemischen Reinigung hätte unterziehen müssen. Dafür fand der Vorschlag des Germanisten Dr. Hennig die Billigung des Chefs, als freundlichen Farbtupfer und sozusagen als Satyrspiel nach der Tragödie Lessings Schatz aufzuführen, ein heiteres Stückchen von bescheidenem Umfang, dessen Szenen wohl mehr als Hobelspäne denn als ernsthafter dramatischer Versuch von Lessings Schreibtisch gefallen waren. Mich bestimmte Dr. Hennig für die Rolle des pfiffig durchtriebenen Dieners Maskarill.
Chopin, Beethoven, Aischylos und Lessing, und überall dabei, das war genug, um ein halbes Jahr lang jede freie Stunde zu füllen. Daß die Schule dabei völlig flachfiel, bereitete mir einige Sorgen, aber als geborener Optimist hielt ich die Hoffnung aufrecht, es im letzten Anlauf doch noch zu schaffen. Schmerzlich war, daß sich auch Kätchen von mir vernachlässigt - und vielleicht auch überfordert fühlte, und mir nach heftigen Auseinandersetzungen den Laufpaß gab. Ich hätte die Trennung sicherlich schneller überwunden, wenn derjenige, mit dem ich sie bald darauf zum Schützenpark und zum Stadtwäldchen promenieren sah, nicht ausgerechnet ein Bursche aus meiner Klasse gewesen wäre, den ich für einen Fatzke hielt und noch nie hatte leiden können. Daß ich ihn verprügelte und zum nächsten Rendezvous mit verschwollenen Lippen schickte, gewann mir Kätchens Neigung nicht zurück. Im Gegenteil. Sie schickte mir Hamsuns Victoria ohne ein Wort und ohne eine Zeile durch die Post zurück. Darauf packte ich die Zwei Menschen ein, strich die Widmung aus und ersetzte sie durch zwei Worte: Blöde Ziege!
Das war das bittere Ende der ersten großen Liebe. Ich fürchte, daß ich ihr ein wenig zu stürmisch gewesen bin. Vielleicht hatte ich auch von Kätchen etwas gewünscht, was sie mir zu geben hartnäckig verweigerte, so daß hinter den bitterbösen Abschiedsworten Caliban hervorlugte, der über seine enttäuschten Erwartungen Gift und Galle spie...
Die Wochen, die uns von dem Schuljubiläum trennten, vergingen wie im Fluge. Alfred Klahr wirkte in den Persern im Chor der Greise mit. Als ich ihn zu einer der letzten Proben abholen wollte, kam er mir über den Hof mit einer dick verbundenen linken Hand entgegen. Er hatte sich eine Viertelstunde zuvor beim Holzspalten mit dem Beil in den Daumen gehauen. Das Blut suppte durch den Verband. »Warst du damit beim Doktor?«
»Ach wo, so schlimm ist es nicht. Meine Mutter hat die Wunde mit essigsaurer Tonerde ausgewaschen und verpflastert.« »Kommst du zur Probe mit?«
»Was denn sonst!« sagte er und trabte auch schon neben mir her. Er wollte die erste Bühnenprobe nicht versäumen, denn die Bühne war in dem großen Raum, der sich an den rückwärtigen Teil der Aula anschloß, am Tag zuvor endlich fertig geworden. An den Kulissen und am Vorhang wurde noch gearbeitet. Der tüchtige Herr Schott, der schon bei der Beschaffung der Instrumente für das Orchester sein großes Organisationstalent bewiesen hatte, war auch für die Errichtung der Bühne, des Vorhangs, der Kulissen und für die benötigten Kostüme mit Spendenlisten unterwegs gewesen. Wichtiger als die Spendierfreude der Bürgerschaft mit Geldzuwendungen war, daß sich auch einige Handwerker bereit erklärt hatten, anfallende Arbeiten unentgeltlich auszuführen.
Dr. Stock, ein beliebter Mann, dem man sich gern anvertraute, wenn man innerhalb oder auch außerhalb der Schule in einer Klemme steckte, vertrat den vielbeschäftigten Chef häufig bei den Proben. Zuweilen kam auch Herr Bohlmann, Feuilletonredakteur bei der >Königsberger Allgemeinen Zeitung< und mit Dr. Stock seit gemeinsamen Studienjahren befreundet, auf einen Sprung nach Bartenstein herüber, um die Herren bei der Regie zu unterstützen. Dr. Stock war ganz gewiß ein ausgezeichneter Altphilologe, aber mit seinem Regietalent war nicht allzu viel los; es war ein Glück, daß er sich seines Freundes Bohlmann entsonnen hatte. Der brachte uns auf Schwung, vor
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