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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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Rückweg den Mais besorgen würden. Die Sonne hatte Lise müde gemacht, und ihre Nase war ganz rot. Sie waren nicht mal einen vollen Tag hier.
      «Schläfst du heute Nacht mit mir?», fragte sie.
      «Wo?»
      «Ganz egal.»
      «Wie wär's auf dem Steg?», fragte er.
      «Das wäre in Ordnung. Sogar hier im Wagen wäre in Ordnung.»
      «Ich frag mich, ob's hier irgendwo ein Autokino gibt.»
      «Siehst du?», sagte sie. «Jetzt überlegst du.»
     
     
* 11
     
    Sarah entdeckte ihn, während Ella in dem grasbewachsenen Straßengraben bei den Fischteichen Rufus sein Geschäft machen ließ. Sarah blieb mit verschränkten Armen auf der heißen Teerstraße stehen und sah zu, wie er den Mäher im Viereck um den Rasen vor seinem Haus lenkte - vielleicht war es auch nicht sein Haus, vielleicht wurde er dafür bezahlt und sparte auf ein Auto oder irgendwas. Ein hässlicher Lieferwagen, der ein Boot zog, rumpelte vorbei, und sie zuckte zusammen und schaute dann wieder dem Jungen zu.
      Fürs College ist er nicht alt genug, dachte Sarah, war sich aber nicht sicher. Er war größer als Mark, und der Mäher wirkte zu klein für ihn, denn seine Knie schauten oben hervor. Er hatte Arbeitsstiefel, abgeschnittene Jeans und ein Flanellhemd mit abgerissenen Ärmeln an, das offen stand, damit man seine Brust sehen konnte. Über seiner verkehrtrum aufgesetzten Baseballkappe saß ein Kopfhörer. Er war so weit weg, dass sie nicht erkennen konnte, welche Haarfarbe er hatte.
      Sie wünschte, sie hätte eine Sonnenbrille auf, damit er nicht sehen könnte, wo sie hinguckte. Sie wünschte, sie trüge das weiße ärmellose Top, das sie gerade erst zum Geburtstag bekommen hatte, und nicht ihr blödes T-Shirt. Ihr Haar war nach dem Duschen immer noch nicht ganz trocken.
      Rufus war fertig. Am liebsten hätte sie Ella gesagt, dass sie denselben Weg zurückgehen sollten, den sie gekommen waren, hätte am liebsten gesagt, sie sei müde, oder sie kämen zu spät zum Abendessen.
      «Er ist so eklig», sagte Ella. «Er hat sich ans Bein gepinkelt.»
      «Er ist bloß alt.»
      «Und er stinkt, meine Güte.»
      «Bloß weil er nass ist. Er ist ein braver Bursche.»
      Im Schatten der Kiefern, die den Straßenrand säumten, war es kühl. Das Brummen des Mähers schwebte über die Fischteiche und erfüllte die Luft. Ella schien ihn nicht zu bemerken, deshalb stieß Sarah sie mit dem Ellbogen an, als er ihnen den Rücken zukehrte, und verdrehte die Augen in seine Richtung.
      Ella zuckte bloß mit den Schultern, als wäre er nichts Besonderes.
      «Kannst du ihn mit der Brille überhaupt erkennen?»
      «Also bitte.»
      «Was? », sagte Sarah. «Ausgeschlossen. Er sieht so scharf aus.»
      «Wenn du meinst.»
      Am Ende des Rasens wendete er und kam zurück, wobei er geschnittenes Gras auf die Straße pustete. Als er sie sah, musste sich Sarah auf ihren Gang konzentrieren. Er war braun gebrannt, hatte seine Stiefel nicht zugebunden. Die Haare, die unter seiner Kappe hervorschauten, waren blond und wuschelig, an einer der beiden Koteletten ringelte sich eine Locke. Wegen des Lärms musste sie blinzeln. Er lächelte sie beide an - mich, dachte Sarah -, und sie lächelte einen Augenblick so natürlich wie möglich zurück. Sie wollte nicht alles verraten.
      Der Mäher rollte vorbei, die heiße Luft kitzelte an ihren Knöcheln, und sie musste den Drang unterdrücken, einfach wegzulaufen. Rufus hatte Angst und trottete mitten auf die Straße, bis Ella ihn am Halsband packte. Als sie heil vorbei waren, wandte Sarah sich Ella mit triumphierendem Gesicht zu, aber Ella verdrehte bloß die Augen. Sarah drehte sich um; er war schon fast bei der Einfahrt, also musste sie den Kopf wieder herumwerfen, und dann spürte sie seinen Blick auf ihrem Rücken, auf ihrer blöden Turnhose und ihrer fleckigen Bräune, ihren verlotterten Turnschuhen.
      «Guckt er?»
      «Wie soll ich das wissen?», fragte Ella.
      «Du könntest zum Beispiel nachsehen.»
      Steif drehte sie sich um. «Ich kann's nicht erkennen.»
      «Warum musst du auch so blind sein?»
      «Leck mich.»
      «War nicht so gemeint. Er ist bloß so ... Hast du seine Augen gesehen?»
      «Ich hab versucht, Dussel davor zu bewahren, dass er überfahren wird.»
      «Okay, Schwester Hathaway.»
      «Hey!»
      «Selber hey.»
      Sie nahmen die Abkürzung an den Tennisplätzen, die Sonne strahlte zwischen den Bäumen hindurch, lag auf den

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