Abschied von Chautauqua
die meiste Zeit ging es ihm gut.
* 7
«Gott, hol mich da raus», sagte Meg, als sie auf der Straße waren. «Wenn sie noch einmal vom Lindbergh-Baby spricht, fange ich an zu schreien. Und wenn wir zu McDonald's gehen müssen, das Hähnchen esse ich nicht nochmal.»
«Es gibt ständig Aufschnitt», erinnerte Lise sie.
«Und Tomatenscheiben. Meint sie etwa, wir erkennen nicht, dass sie von gestern sind?»
«Vergiss nicht den Krautsalat.»
«Die Kinder tun mir Leid», sagte Meg, hielt an und schaute in beide Richtungen. Sie war dafür bekannt, eine schlechte Fahrerin zu sein, und Lise lehnte sich zurück, damit Meg besser sehen konnte. «Es ist schon schwer genug, Justin dazu zu bringen, dass er normale Sachen isst.»
«Justin isst besser als Sam.»
Während ihres Gesprächs bemühte sich Lise, weder den Haufen zerrissene Zigarettenschachteln und Fast Food-Verpackungen zu beachten, auf dem ihre Turnschuhe standen, noch den geschmolzenen Chap Stick, der die Münzen im Kleingeldfach unter der Handbremse wie Vaseline überzog und auf dem sich schon eine Staubschicht bildete. Trotz der stickigen Heizungsluft roch es nach gerauchtem Gras - keine Überraschung. Lise war selbst nicht besonders gut organisiert, hatte sich aber an Kens Sauberkeitswahn gewöhnt, doch es gab Zeiten, wo sie kaum glauben konnte, dass er und Meg Geschwister waren. Ganz oft kam es ihr seltsam und fremd, ja geradezu komisch vor, wie perfekt Meg das schwarze Schaf spielte, wie sich ihre Probleme häuften wie bei einem Talkshow-Gast. Sie zog das Pech so unwiderstehlich an, dass Lise wirklich überrascht gewesen wäre zu hören, wenn bei Meg mal etwas geklappt hätte.
Sie war Meg dankbar, weil sie sie aus dem Haus rausgebracht hatte, weg von Emily. Von ihrer Mutter hatte sie die schlechte Angewohnheit übernommen, jeden Menschen mit ihren perfekten Eltern zu vergleichen. Lise musste sich davor hüten, musste ihren eigenen Standpunkt kühler betrachten.
Das konnte sie. Manchmal war sie unzufrieden, und wenn sie irgendwas sagte, gab ihr Ken das Gefühl, dass sie zu viel erwartete. Sie kam sich vor wie in einer Oper, wollte tagtäglich von Leidenschaften verzehrt werden und dachte dann, wenn sie Geschirr spülte oder hinter den Kindern aufräumte, dass alles bloß an ihrem Alter lag. Sie war nicht die einzige Frau, die sich mit vierzig langweilte, die sich fragte, was falsch gelaufen war.
Der Regen verwandelte den Highway in einen schwarzen Spiegel, Rücklichter verfingen sich in glitzernden Tropfen auf der Windschutzscheibe und wurden dann weggewischt.
«Wie soll morgen das Wetter werden?», fragte Lise.
«Genauso.»
«Sag, dass das nicht stimmt.»
«Mittwoch auch.»
«Nein», sagte Lise. «Jemand soll mich entführen, bitte.»
«Du darfst dich von ihr nicht aus der Ruhe bringen lassen.»
«Wie soll das gehen?»
«Mach einfach weiter wie bisher. Seit wir hier sind, hast du noch keine zwei Worte mit ihr gewechselt.»
«Ist es so auffällig?»
Meg lachte. «Nur für alle anderen.»
«Ich weiß nicht, wie du das machst.»
«Genauso wie du mit deinen Angehörigen - sie einfach nicht beachten.»
«Nein, die machen mich auch wahnsinnig.»
So redeten sie weiter, ganz oberflächlich. Sie hätten dasselbe Gespräch auch letztes Jahr oder vor zehn Jahren führen können - es war ein Überbleibsel, wie Emilys Mittagessen. Aus Höflichkeit ließ Lise die Finger von den beiden verlockendsten Themen, Megs Reha und Jeff. Sie wünschte sich, Meg würde zuerst davon anfangen, doch während die Sommerhäuser und nassen Maisfelder und dann, wie ein Glanzlicht, die Book Barn (voller Menschen) vorüberglitten, begriff Lise, dass es dazu nicht kommen würde. Und warum sollte sie auch?, dachte Lise. Auch sie war nicht darauf erpicht, darüber zu sprechen, was sie und Ken durchmachten, oder über ihre finanziellen Sorgen (über die sie nicht mal mit Ken sprechen konnte, ohne dass er sich unwohl fühlte). Das Schweigen rief ihr ins Gedächtnis, wie schlecht sie Meg kannte. Es gab keine Zauberworte, die sie einander näher brachten, keine spontanen offenen Aussprachen. Meg würde sie nicht aus heiterem Himmel fragen, was sie dachte oder wie es ihr ging. Es kam ihr vor wie eine verpasste Gelegenheit, aber schon vor so langer Zeit und so dauerhaft verpasst, dass sich Lise fragte, warum es sie gerade jetzt störte.
Zu ihrer Rechten zog die Minigolfanlage
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