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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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Arm gebrochen, und sein Vater würde sie sehen wollen, oder vielleicht hätte auch er sich den Arm gebrochen, vielleicht hätte er sie alle mit gebrochenem Arm gerettet. Das war noch besser.
      «Magmar ist inzwischen auf Stufe vierzig», sagte Sam.
      «Na und?», nuschelte Ella.
      Justin hatte noch keinen Magmar. Deshalb wollte er weiterspielen und aufholen, aber sie waren fast da. Sie waren schon an dem Stand vorbeigefahren, wo sie sonst immer Eis kauften. Im Innern war niemand zu sehen, nur eine gelbe Lampe. Hoffentlich konnten sie sich im Kino Süßigkeiten kaufen, aber Justin wollte nicht fragen. Er hatte kein Geld.
      «Dawären wir, genau pünktlich», sagte Onkel Ken, und kurz darauf sah Justin über Ellas Schulter die Leuchtreklame, wo die ganzen Filme angekündigt wurden und der Regen durch das blaue Neonlicht fiel. Sam drehte seinen Ton lauter, klimpernde Musik erfüllte das Auto.
      «Lautstärke», rief Onkel Ken, und Sam schaltete den Ton aus. «Und wir nehmen unsere Game Boys nicht mit rein.»
      Sie mussten warten, bis die anderen Autos geparkt hatten, und dann stand vor dem Kartenschalter eine lange Schlange. Die Mädchen gingen ganz allein in Drei Engel für Charlie, was Sam ungerecht fand. Justin stellte sich zu den Mädchen, während Sam und Onkel Ken zum Schalter gingen. Der Gehsteig vor dem Eingang war trocken, eine gerade Linie zwischen dem Braun und dem Weiß. Auf alten Kaugummiflecken glitzerte der Regen.
      Sie warteten. Noch mehr Autos bogen in die Einfahrt. Die Eltern hielten, setzten ihre Kinder ab, drehten und fuhren auf demselben Weg wieder raus. Zwei ältere Jungs alberten herum und schubsten sich gegenseitig, und der mit der verkehrtrum aufgesetzten Pirates-Kappe sagte: «Leck mich.» Justin schaute hinüber, ob Onkel Ken, der als Nächster dran war, sie gehört hatte.
      Sam kam zu Justin gelaufen. «Der Film ist ausverkauft.»
      «Was läuft denn sonst noch ? »
      «Nichts. Rugrats in Paris.»
      Onkel Ken gab den Mädchen ihre Karten und ein bisschen Geld, und sie verschwanden. «Tut mir Leid», sagte er. «Wir haben uns für den zweitbesten entschieden. Ich hoffe, das geht in Ordnung.»
      «Macht nichts, ich wollte den sowieso sehen», sagte Justin. «Da laufen gute Trailer.»
      «Kriegen wir was Süßes?», fragte Sam drinnen.
      «Ihr könnt euch jeder eine Sache kaufen», sagte Onkel Ken.
      Justin nahm Sour Patch Kids und Sam Gummibärchen, damit sie tauschen konnten. Onkel Ken wollte nichts, was seltsam war. Justins Vater kaufte immer eine große Tüte Popcorn und eine Riesenlimonade, die er mit allen teilte. Justin blickte sich nach Sarah um, aber die Mädchen waren anscheinend schon reingegangen. Wenn ein Feuer ausbrach, würde er sie nicht finden.
      Ihr Kinosaal lag ganz am Ende und war fast leer, bloß ein paar kleine Kinder mit ihren Müttern. Sie hatten gute Plätze, direkt in der Mitte. Die albernen Trivialfragen liefen gerade, mit den verballhornten Namen. Sam ging oft ins Kino, denn er kannte alle. Onkel Ken saß auf der anderen Seite und schaute überallhin, nur nicht auf die Leinwand. Justin war schon mit seinen Sour Patch Kids fertig, bevor das Licht ausging. Er entdeckte die roten AUSGANG-Schilder und überlegte, welches am nächsten war. Es würde einfach sein. Es waren nicht viele Leute da.
      Die Filme in der Vorschau waren gut. «Den will ich sehen», sagte Sam bei jedem. Der Grinch war am besten, aber der lief erst an Thanksgiving. Und dann ging das Licht ganz aus, und der Film begann.
      Justin hatte keine Angst vor der Dunkelheit; es gefiel ihm bloß nicht, dass auf einer Seite niemand neben ihm saß. In der Schule hatte ihm Michael Schulz von einem Jungen erzählt, der allein ins Kino ging und, als seine Mutter ihn abholen wollte, nicht da war. Sie fanden ihn ganz allein in dem Kinosaal, in dem er sein musste. Von hinten sah er okay aus, doch als sie vor ihm standen, sahen sie, dass ihn jemand durch die Rückenlehne des Sitzes erstochen hatte. Justin wusste, dass das bloß eine Geschichte war, aber er stellte sich unwillkürlich vor, wie es passierte. Auch jetzt blickte er über die Schulter, um sicherzugehen, dass niemand hinter ihm saß.
      Sobald der Film begonnen hatte, machte er sich keine Gedanken mehr. Er erinnerte sich nur an die Geschichte, wenn es in einer Szene ganz hell war und er die vorderen Sitzreihen sehen konnte oder wenn es in einer Szene so dunkel war, dass er die Ausgangsschilder sah. Aber

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