Abschied von der Küchenpsychologie
Strategien im aktuellen Kontext trainiert, statt sich en bloc mit ganzen Strategiepaketen zu beschäftigen,
wenn das Lernenlernen deutlich metakognitiv ausgerichtet ist und nicht vorrangig technisch, wenn also die Selbstreflexion und Selbstregulation im Vordergrund stehen,
wenn man vom Nutzen der Strategien überzeugt und eben dadurch motiviert ist.
Sollten Sie motiviert sein, die vorgetragenen Anregungen zu nutzen, dann fragen Sie sich am besten: Wo sehe ich bei mir ein Defizit? Wo möchte ich wirklich neue Wege ausprobieren? Beschränken Sie sich dann erst einmal auf ein, zwei Strategien und legen Sie fest, wo und wann Sie sie einsetzen wollen.
12.3 Lernprobleme: Eine Frage von dumm oder faul?
«Geht’s Ihnen gut – oder haben Sie auch ein Kind in der Schule?» Vielleicht haben Sie diesen Spruch auch schon mal gehört. Ganz so schlimm ist die Lage wohl nicht, doch zweifellos machen sich unzählige Eltern Sorgen um die schulischen Leistungen ihrer Kinder.
Der folgende kurze Überblick zur Psychologie von Lernproblemen kann natürlich nicht auf den Einzelfall zugeschnitten sein. Doch einige
typische
Gründe und einige
typische
Hilfen lassen sich nennen, und es wird schnell deutlich werden, dass man mit der geläufigen Alternative «dumm oder faul» nicht auskommt. Ebenso klar ist, dass man in vielen Fällen eine professionelle Diagnose und individuelle Förderung braucht. Fachkundige Hilfe ist vor allem dann vonnöten, wenn die Schule zu einer Dauerbelastung wird. Denn jahrelange Misserfolge und Entmutigungen oder, genauso schlimm, jahrelange Eltern-Kind-Konflikte sollte man unbedingt vermeiden.
Wann ist Lernen «unzureichend»?
Damit man überhaupt von einem Lernproblem oder einer Lernschwierigkeit sprechen kann, müssen Lernleistungen «unzureichend» sein. Aber was ist dafür der Maßstab?
Gewöhnlich sind es die schultypischen Normen, und diese liegen z.B. im Gymnasium höher als in der Hauptschule. Doch auch Schulen des gleichen Typs und sogar Lehrkräfte in derselben Schule können sich darin unterscheiden, was sie für «ausreichend» halten. Anders gesagt: Wenn eine Leistung «unzureichend» genannt wird, hat das auch mit der subjektiven Beurteilung zu tun. In der Praxis kann sich das so auswirken, dass ein Kind in der Klasse A das «Klassenziel» nicht erreicht (= Lernschwierigkeit), ein anderes in Klasse B bei objektiv gleicher Leistung noch durchkommt, weil dort milder zensiert wird.
Ein anderer Fall: Wenn Alex auf dem Gymnasium zwischen «Drei» und «Vier» liegt und seine
Eltern
ihn in die Nachhilfe schicken, dann liegt in deren Augen offenbar ein Lernproblem vor. Ihre Erwartungen sind hier der Maßstab. Typischerweise hängen die elterlichen Erwartungen stark mit dem sozialen Milieu zusammen; so wird in Akademikerfamilien selbstverständlich erwartet, dass das Kind das Abitur schafft.
Auch das
Kind selbst
kann den Maßstab bilden. Dann liegt ein Lernproblem vor, wenn ein Schüler z.B. nach einer Krankheit oder in einer seelischen Krise «unter sein Niveau» absinkt. Manche Menschen attestieren sich vielleicht auch selber ein Lernproblem, weil sie ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden.
Das alles heißt: Lernschwierigkeiten sind ein
relatives
Phänomen. In jedem Fall besteht eine Lücke zwischen einer erwarteten und einer erbrachten Lernleistung, und es lohnt sich immer, nicht nur auf die Leistungen zu schauen, sondern auch zu fragen, nach welchem Maßstab bzw. nach welchen Erwartungen die Leistung als unzureichend beurteilt wird.
Das Problem präzisieren und verstehen
Für eine gezielte Förderung ist es wichtig, das Lernproblem genauer zu verstehen. Subjektive Überzeugungen (etwa: «Er kann, wenn er nur will») sind manchmal sehr einseitig und sogar ein Hindernis bei der Lösungsfindung. Zunächst einmal kann man das Problem durch zwei Fragen ein wenig präzisieren:
Handelt es sich um ein vorübergehendes oder um ein fortdauerndes Problem?
Sind alle, viele oder nur einzelne Leistungsbereiche betroffen?
Besonders bei fortdauernden Problemen wäre durch eine psychologische Diagnose zu klären, ob etwa eine Lese-Rechtschreib-Schwäche, Rechenschwäche oder Aufmerksamkeitsstörung vorliegt, und wie es um allgemeinere kognitive Fähigkeiten steht (s. Kapitel 8.1 zu Intelligenz).
Auch ohne solche Schwächen kann es aus verschiedenen Gründen zu Lernproblemen kommen. Ein typischer Grund liegt in
mangelnder Selbstregulation
, verbunden mit unzureichenden Lernstrategien. Das
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