Abschied von der Küchenpsychologie
Hausaufgaben ohne Trödelei und Ablenkungen und ohne ständiges Jammern nach Hilfe (s. hierzu auch Kapitel 12.5 zu Erziehungskonflikten). Man kann das Kind überdies anregen, sich selbst Belohnungen auszusetzen («Wenn ich meinen Aufsatz geschrieben habe, höre ich meine Lieblingsband»).
Wichtiger als die Motivierung durch Belohnungen ist es natürlich, die Erfolgszuversicht zu fördern, also die Erwartung, aus eigenem Bemühen Fortschritte erzielen zu können. Hierfür ist es wichtig, dass man die Leistungen des Kindes immer nur
im Vergleich zu seinen früheren Leistungen bewertet
(sog. individuelle Bezugsnorm) und
nicht
im Vergleich zu anderen Kindern (sog. soziale Bezugsnorm). Wenn eine «Vier» in der Klassenarbeit eine persönliche Steigerung ist, dann ist sie wertvoll, selbst wenn die Schwester oder das Nachbarkind auf «Zwei» steht. Denn sich selbst zu überflügeln, das kann man meist mit Anstrengung schaffen. Aber andere zu überflügeln, das hat man nicht wirklich in der Hand. Gelobt werden sollten im Übrigen konkrete Einzelleistungen («Deine Kommasetzung ist schon besser geworden») oder Arbeitsweisen («Schön, du gehst diesmal viel sorgfältiger vor als letztes Mal»).
Für die Förderung von Erfolgszuversicht ist es außerdem wichtig, die Leistungen vorrangig
mit der Eigenaktivität des Kindes zu erklären
und nicht mit unbeeinflussbaren Faktoren. Stellt man schwache Leistungen als unveränderlich dar (Originalkommentar einer Mutter: «Das steckt in den Genen») oder führt Erfolge und Misserfolge vorrangig auf externe Faktoren zurück («Das war ja auch eine leichte/eine schwere Arbeit»), dann heißt das für das Kind, dass es nicht selber verantwortlich ist. Nur auf den Faktor «eigene Anstrengung» hat man wirklich Einfluss: auf das Aufpassen, auf die Ausdauer, auf die Sorgfalt. Genau darauf sollte man das Denken des Kindes lenken, bei einer Verbesserung z.B. durch einen Kommentar wie: «Toll – wie hast du das geschafft?», bei einer Verschlechterung z.B. durch die Frage: «Kann es sein, dass du dich diesmal nicht so gut vorbereitet hattest?»
Motivationsförderung hilft dort, wo ein
Motivations
problem vorliegt, nicht ein Fähigkeitsproblem. Doch selbst in diesem Fall ist es nicht unmöglich, Zuversicht zu fördern, wenn man bestimmte Schwächen einfach akzeptiert und stattdessen den Blick auf
aussichtsreiche
Fächer oder Fächerkomponenten lenkt. Kurz gesagt: Chancenorientierung statt Defizitorientierung. Ist es z.B. sinnvoll, dass ein Schüler sich täglich mehrere Stunden für eine «Vier» in Mathe abquält, wenn er mit demselben Zeitaufwand in Englisch
und
Geschichte
und
Biologie eine «Zwei» schaffen könnte?
Wie sagte einmal ein Lehrer vor der Abi-Prüfung: «Ich will wissen, was Sie können, und nicht, was Sie nicht können.» Wenn man eine solche Haltung nicht nur auf einzelne Fächer bezieht, sondern auf das gesamte Spektrum der Aktivitäten eines Kindes in Schule und Freizeit, dann dürften sich manche Lernprobleme relativieren und manche Familiendramen entschärfen.
Im Übrigen gilt: Vorbeugen ist besser als Heilen. Viel zu oft setzen Fördermaßnahmen erst in der Sekundarstufe ein, viel seltener bei Grundschulkindern, obwohl schon in dieser Phase die Weichen für die Einstellung zur Schule, für das Arbeitsverhalten und für Basiskompetenzen gestellt werden. Und wichtige Förderungen beginnen bekanntlich schon vor der Schulzeit in der Familie, beispielsweise durch elterliches Vorlesen.
12.4 Erziehungsstile: Welchen empfiehlt die Forschung?
Die häusliche Erziehung ist immer wieder ein heißes Thema. Ob Kinder und Jugendliche heute «schwieriger» sind als früher – wer könnte das mit Gewissheit sagen? Offenkundig ist jedoch, dass viele Eltern unsicher sind, wie sie erziehen sollen, und nicht selten wird beklagt, heutige Eltern hätten ihren natürlichen Erziehungs-«Instinkt» verloren. Doch in welcher Epoche hatten Eltern einen Erziehungsinstinkt? Wie sah der instinktive Erziehungsstil aus? Und war es einer, dem man nachtrauern müsste? Wenn «instinktiv» bedeutet, dass man sich wenig Gedanken macht, dann kann man Unsicherheit durchaus positiv sehen: Eltern sind heute problembewusster und selbstkritischer.
Um in der Erziehung handlungsfähig zu sein, reicht das natürlich nicht. Und hier ist wohl mit dem Aussterben der autoritären Erziehung früherer Jahrzehnte eine Lücke entstanden, die viele Eltern noch nicht mit Alternativen füllen können. Wenn ich nicht
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