Abschied von der Küchenpsychologie
Gründen, die mit dem Kind bzw. Jugendlichen selbst zu tun haben, darf man die Kontextbedingungen nicht außer Acht lassen. So kann es in der
Familie
an geistiger Anregung und an Interesse für die Schule mangeln. Andererseits können engagierte Eltern für Überforderungen mitverantwortlich sein. Und gerade wenn Lernprobleme auftreten, sind Eltern oft wenig hilfreich, sondern verschärfen das Problem eher noch, weil sie emotional zu sehr beteiligt sind und es ihnen schwer fällt, bei den Hausaufgaben geduldig und gelassen zu bleiben.
Auch die
Schule
kommt als Mitverursacher in Frage. Wenn es im Unterricht laut und unruhig zugeht, wenn es an Verständlichkeit, an Klarheit und individueller Unterstützung mangelt, dann ist dies vor allem für die Leistungsschwachen von Nachteil. Solche Probleme hängen gewöhnlich stark von den einzelnen Lehrkräften ab.
Insgesamt ist es also eine lange Liste von Faktoren, die bei Lernproblemen eine Rolle spielen können, und meist kann man nicht einen einzelnen Faktor als «die Ursache» ausmachen, sondern fast immer wirken mehrere Faktoren in einer Art Teufelskreis zusammen.
Was Eltern tun können
Ganz wichtig ist es, dass die Lust am Lernen nicht vollständig verloren geht und alles, was mit Schule zu tun hat, reflexartig Widerwillen auslöst. Daher ist auch alles zu tun, dass die Hausaufgabensituation für das Kind nicht «negativ aufgeladen» wird durch Ermahnen, Drohen und Schimpfen. Der Gesprächsfaden darf nicht abreißen. Durch einfühlendes, aktives Zuhören (s.S. 228 ) kann man zeigen, dass man die Ängste, die Entmutigungen und auch die Abneigungen des Kindes ernst nimmt, und zugleich kann man versuchen, Wege zu weisen und zu motivieren.
Am leichtesten helfen kann man bei vorübergehenden Kenntnislücken. Die lassen sich gewöhnlich durch Nachhilfeunterricht, vielleicht auch durch freundliche elterliche Unterstützung beheben. Doch meist sitzen die Probleme tiefer. Auch in den Nachhilfeunterricht kommen zum großen Teil Kinder, die nicht einfach Wissenslücken haben, sondern gravierende Defizite in der Selbstregulation und Lernmethodik, sodass Nachhilfe im üblichen Sinne gar nicht ausreicht. In jedem Fall gilt dies für Kinder, bei denen eine spezifische Lernschwäche, etwa eine Lese-Rechtschreib-Schwäche, diagnostiziert wurde. Sie benötigen Hilfe durch spezialisierte Lerntherapeuten; denn selbst guter Nachhilfeunterricht und gutes elterliches Engagement stoßen hier an ihre Grenzen.
Wenn das Problem nicht in einer diagnostizierten Lernschwäche liegt, sondern eher im allgemeinen Lernverhalten, können Eltern versuchen, selbstreguliertes Lernen zu fördern. Das ist nicht einfach, aber auch nicht unmöglich. Das Helfen besteht hier vor allem darin, dass man das Kind
durch Fragen
dazu anregt, sich mit seinem Wissen und Nichtwissen, seinen Zielsetzungen, seinen Vorgehensweisen, seinen Selbstüberprüfungen etc. zu beschäftigen:
Vor dem Lernen sind das Fragen wie diese: Was willst du heute schaffen? – Wie viel Zeit brauchst du wohl für den Aufsatz? – Was kannst du schon ganz gut, und was musst du noch verbessern?
Während des Lernens empfehlen sich sog. prozessbezogene Fragen statt Ergebnishilfen: Wonach wird in der Aufgabe gefragt? – Was kannst du beim Lesen tun, um die Hauptgedanken festzuhalten? – Was machst du, wenn du ein Wort nicht kennst?
Nach dem Lernen kann man z.B. fragen: Wie kannst du prüfen, was du behalten hast? – Hast du erkannt, welche Art von Fehlern du besonders häufig machst? – Wo siehst du bei dir Fortschritte im Vergleich zu früher?
Die Hilfe besteht also nicht darin, dass man dem Kind die korrekte Lösung sagt, sondern dass man Anstöße zur Selbsthilfe gibt. Dazu kann auch gehören, einzelne Lernstrategien vorzuschlagen und vorzumachen. Gerade Kinder mit Lernschwierigkeiten beherrschen oft die einfachsten Strategien nicht und könnten davon besonders profitieren. Nicht sinnvoll ist es aber, Strategien aufzudrängen oder viele Strategien auf einmal zu vermitteln (s. auch S. 320 ).
Ein weiterer wichtiger Punkt ist das
Fördern der Lernmotivation
. Das kann sehr unterschiedlich aussehen. Wenn ein Kind für einen Lernstoff weder Interesse noch Ehrgeiz mitbringt, können äußere Anreize vorübergehend eine Hilfe sein, z.B. eine Kinokarte oder Gutpunkte für eine spätere große Belohnung. Belohnen sollte man dabei nicht erst eine bessere Zensur, sondern bereits besseres Lern
verhalten
, also z.B. die Erledigung der
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