Abschied von der Küchenpsychologie
man auch, etwas pauschalierend, einen reproduktiven («oberflächlichen») und einen verständnisorientierten («tiefen») Lernstil unterscheiden. Allerdings wechseln manche Menschen ihren Lernstil je nach Interesse oder Prüfungsanforderung. Bei manchen Anlässen durchdringen sie den Stoff, ein anderes Mal lernen sie vorwiegend auswendig.
Viele Lerngewohnheiten entwickelt man ganz unbemerkt, ohne Alternativen auszuprobieren. Was man sich angewöhnt hat, muss also nicht schon deshalb sinnvoll sein, etwa nach dem Motto: «Das sind eben die Methoden, die zu mir passen». Noch einmal: Strategien passen nicht für bestimmte Menschentypen, sondern für bestimmte Aufgabentypen.
Allerdings hängt der praktische Nutzen einer Strategie auch vom
persönlichen Bedarf
ab, und der kann wirklich sehr unterschiedlich sein. Schüler, die eine Vokabelreihe nach zweimaligem Lesen wiedergeben können, werden wenig Interesse an einer Kartei haben und allenfalls schwierige Wörter notieren. Für andere hingegen ist das vielleicht eine hilfreiche Methode. Oder: In Fächern, in denen man sich verbessern möchte (oder muss), mag man an neuen Strategien interessiert sein, in anderen Fächern jedoch nicht. Wohl jeder Mensch kann sich in bestimmten Bereichen durch neue Strategien steigern. Aber wer dies gar nicht anstrebt – warum sollte der sein Lernverhalten verändern und ein Strategiemeister werden wollen?
Man bedenke, dass die Anwendung neuer Strategien nicht selten auf eine Änderung tief eingeschliffener Gewohnheiten hinausläuft. Wer würde von sich sagen, das sei eine leichte Übung?! Überdies bringen neue Strategien, selbst wenn man sie interessant und nützlich findet, nicht immer den gewünschten Erfolg, zumindest nicht sofort. Sie können sogar den Lernerfolg
vorübergehend beeinträchtigen
, solange man das Neue noch nicht richtig beherrscht. Wird aber die Mühe nicht durch schnelle Erfolge belohnt, kehrt man möglicherweise zu den alten Gewohnheiten zurück. Den Nutzen des Neuen zu erkennen, ist daher ein wichtiger Punkt.
Wie lernt man strategisches Lernen?
Erste Möglichkeit:
Indirekte Aneignung.
Strategien können als Nebenprodukt aus der Beschäftigung mit dem Lernstoff hervorgehen. Fast alle Menschen entdecken irgendwann die eine oder andere Methode von selbst. Zudem legen bestimmte Aufgaben manchmal bestimmte Vorgehensweisen nahe, z.B. eine Tabelle anzufertigen. Aber dies ist nicht immer ein verlässlicher Weg. Nicht selten sind die beiläufig erworbenen Vorgehensweisen lediglich bloße Vorlieben, nicht aber wirksame Strategien. Das spricht dann eher für ein gezieltes Lernenlernen.
Zweite Möglichkeit:
Kurse und Bücher.
Da das Thema populär geworden ist, gibt es zahlreiche Lernratgeber-Bücher, spezielle Kurse, in der Schule vielleicht auch Tagesseminare, Projektwochen oder AGs zu Lernmethoden. Dabei geht es gewöhnlich um ganze Strategiepakete. Auf den ersten Blick erscheint dieser Weg einleuchtend, doch die Ergebnisse sind eher enttäuschend. Sicher lassen sich Stützstrategien wie die Arbeitsplatzgestaltung oder auch einfache Einprägungstechniken in solchen Kursen einigermaßen lebensnah behandeln, schwerlich hingegen die besonders wichtigen verständnisorientierten Strategien. Werden Lernmethoden gewissermaßen wie ein eigenständiges Fach gelehrt (überspitzt: «Wir hatten heute Englisch, Mathe und Lernenlernen»), dann gibt es meist Probleme beim Transfer auf die Praxis: Im kritischen Moment wird die Strategie nicht genutzt, weil man sie nur «losgelöst» und nicht in konkreten Kontexten kennengelernt und eingeübt hat. Der folgende Weg ist daher der interessanteste.
Dritte Möglichkeit: Direktes
Üben im aktuellen Lernkontext
. Man lernt beispielsweise im Fremdsprachenunterricht Methoden des Vokabellernens oder Merkhilfen für sperrige Grammatik (z.B. einen Mustersatz auswendig lernen); oder in Fächern wie Deutsch, Biologie, Geschichte etc. lernt man, umfangreiche Texte durch Organisationsstrategien wie Zwischenüberschriften zu gliedern oder Hauptgedanken in einem Strukturbild zusammenzufassen. Diese Art der Aneignung ist am aussichtsreichsten, denn man muss keine großen Transfersprünge vom Allgemeinen zum Konkreten leisten und kann den Nutzen der Strategien unmittelbar erleben.
John Hattie und Mitarbeiter haben 51 Studien zur Förderung von «learning skills» ausgewertet und fassen die Ergebnisse wie folgt zusammen. Strategisches Lernen lässt sich am wirksamsten fördern,
wenn man einzelne
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