Abschied von der Küchenpsychologie
Lernverhalten wirkt planlos, unüberlegt oder hastig. Es fehlt an nützlichen Methoden, an Fehleranalysen, an der Überprüfung und Bewertung des eigenen Lernerfolgs (hierzu siehe auch Kapitel 12.2 zur Frage des Lernenlernens). Im erweiterten Sinne sind auch Unkonzentriertheit und Ablenkbarkeit als mangelnde Selbstregulation anzusehen, ebenso mangelnde Selbstdisziplin, wenn es ums Durchhalten bei lästigen Aufgaben geht. Solche Defizite wirken sich gewöhnlich in allen Fächern aus.
Für schwache Leistungen in
einzelnen Fächern
kommen verschiedene Gründe in Frage. Häufig sind dabei mangelnde fachspezifische Fähigkeiten, mangelndes Interesse und lückenhafte Kenntnisse miteinander verwoben. Bei den
Wissenslücken
ist zu bedenken, dass Wissen auf Wissen aufbaut und daher neues Wissen häufig nicht verstanden wird, weil das nötige Vorwissen fehlt. So zieht dann eine Lücke die nächste nach sich – das ist das sog. kumulative Lerndefizit. Beispielsweise können also Wissenslücken in der achten Klasse mit Defiziten zu tun haben, die schon etliche Jahre vorher entstanden sind. Daneben gibt es natürlich auch vorübergehende Lernrückstände, z.B. aufgrund einer Krankheit oder eines Schulwechsels. Stets empfiehlt es sich, näher zu spezifizieren, ob das Kind in dem jeweiligen Fach eher mit schriftlichen oder mündlichen Leistungen Probleme hat oder mit bestimmten Anforderungen wie dem Schreiben von Aufsätzen oder Textaufgaben in Mathematik.
Weiterhin können
emotionale Probleme
das Lernen behindern. Manche Kinder leiden unter heftiger Schulangst: Angst vor unfreundlichen Lehrkräften, Angst vor mobbenden Mitschülern, Angst vor Klassenarbeiten, Sprechangst etc. Möglich ist auch ein Leistungsabfall in einer seelischen Krise, die z.B. mit der Beziehung zu den Eltern, mit Liebeskummer oder anderen außerschulischen Gründen zu tun hat.
Eine andere wichtige Erklärung ist natürlich
mangelnde Lernmotivation
. Das klingt vielleicht wie eine vornehme akademische Bezeichnung für
Faulheit
. Aber so ist es nicht. Zum einen ist «faul» eine sehr oberflächliche Erklärung. Sie benennt nur das sichtbare Verhalten, nämlich geringe Aktivitäten für die Schule, aber sie sagt nicht, was dahinter steckt. Zum andern ist «faul» eine stark wertende «Diagnose», meist verbunden mit Verärgerung, Vorwürfen, ständigem Antreiben und wiederkehrenden Eltern-Kind-Konflikten.
Daher empfiehlt es sich, lieber nüchtern zu prüfen, was die Gründe für die Faulheit sein könnten. Ein möglicher Grund ist
Entmutigung
. Das Kind hält sich für unfähig und traut sich nicht zu, durch eigene Anstrengungen eine Verbesserung zu erreichen. Warum sollte man fleißig sein, wenn das sowieso nichts bringt?! Diese unausgesprochene Einschätzung ist typisch für die sog. Misserfolgsängstlichen (s.S. 170 ). Sie erklären Misserfolge mit eigener Unfähigkeit und Erfolge mit glücklichen Unständen, aber sie erleben keinen Zusammenhang zwischen Leistungsergebnis und eigener Anstrengung.
Weiterhin kann Faulheit auf
mangelndem Interesse
an bestimmten Fächern beruhen. Geringes Interesse und geringe Fähigkeiten bedingen sich meist gegenseitig. Nicht an sämtlichen Fächern interessiert zu sein, ist natürlich normal. Spätestens im Jugendalter bilden sich gewöhnlich persönliche Interessenschwerpunkte heraus, in anderen Fächern nimmt das Interesse dann ab. Denkbar sind auch
konkurrierende Interessen
an außerschulischen Dingen. Auch in diesem Fall ist das Kind nicht generell «faul». Es ist ja nicht inaktiv, sondern seine Motivation richtet sich auf andere Aktivitäten, die es als sinnvoller und erfüllender empfindet.
Aus allen zuvor genannten Gründen kann es trotz hinreichender Intelligenz zu Lernschwierigkeiten kommen. Doch natürlich ist es auch möglich, dass die kognitiven Fähigkeiten, die zur
allgemeinen Intelligenz
gerechnet werden (s.S. 149 ), nicht den Anforderungen der besuchten Schule entsprechen. Forschungen zeigen, dass die Schüler/innen sich nicht durchweg ihrer Intelligenz entsprechend auf die Sekundarschultypen verteilen. Vielmehr bringt ein beachtlicher Teil der Schüler/innen eines Gymnasiums Intelligenzgrade mit, die eher für die Realschule typisch sind – und umgekehrt. Die Wahl der Schule wird eben stark von der sozialen Herkunft mitbestimmt. Sicherlich darf man die allgemeine Intelligenz nicht überbewerten, aber sie ist und bleibt doch ein sehr bedeutsamer Faktor für den Schulerfolg.
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