Abschied von der Küchenpsychologie
ein bestimmtes Verhalten zu erleichtern, beispielsweise konzentriertes Lesen und Schreiben.
All dies kann noch erweitert werden um Selbstbelohnungen und Selbstbestrafungen. Damit geht diese Eigenregie über rein situative Beeinflussungen hinaus und gehört schon zu den früher erwähnten Selbstmanagement-Methoden, die einen personbezogenen Umlernprozess unterstützen (s.S. 96 ).
6. Einzelne Richtungen und ihre Menschenbilder
In der Öffentlichkeit wird Psychologie häufig mit Tiefenpsychologie oder noch spezieller mit Psychoanalyse gleichgesetzt. Dabei ist dies lediglich eine bestimmte Sichtweise, eine «Theorie-Brille», mit der das psychische Geschehen gedeutet wird. Eine andere ist der Kognitivismus. Er ist unter Laien sicher weniger bekannt, spielt jedoch in der akademischen Psychologie heute eine viel bedeutendere Rolle als die Tiefenpsychologie. Und weitere Theorierichtungen kommen hinzu.
Worauf beziehen sich die Unterschiede? Nicht auf die in Kapitel 4 vorgestellten Grundaspekte als solche. So würde keine Richtung behaupten, dass für die Erklärung menschlichen Verhaltens und Erlebens Personfaktoren oder ihr Entwicklungshintergrund oder Situationsfaktoren oder der interpersonale Kontext bedeutungslos seien. Die Lehrmeinungen unterscheiden sich vielmehr in der Ausdeutung dieser Aspekte. So geht es beispielsweise um die Frage, durch welche Kräfte die Entwicklung vorrangig bestimmt wird, oder wie weit innere Prozesse bewusst oder unbewusst sind oder ob psychisches Geschehen insgesamt stärker von Personfaktoren oder Kontextfaktoren abhängt. Auf solche Fragen geben die theoretischen Grundströmungen zum Teil recht unterschiedliche Antworten; um solche Fragen werden wissenschaftliche Debatten geführt.
Es ist nirgends festgelegt, wie viele theoretische Richtungen zu unterscheiden sind. Aber einige besonders einflussreiche Ansätze werden in fast jedem Lehrbuch genannt, nämlich die Psychoanalyse (erweitert: die Tiefenpsychologie), der Behaviorismus und der Kognitivismus. Daneben wird auch die Humanistische Psychologie relativ häufig erwähnt. Diese Richtungen haben nicht nur für das theoretische Verständnis psychischen Geschehens große Bedeutung, sondern auch für praktisches Handeln, insbesondere für die Psychotherapie.
Tiefenpsychologie
Der bekannteste Name ist ohne Frage Sigmund Freud ( 1856 – 1939 ), der Begründer der
Psychoanalyse
. Sie ist die Urform der Tiefenpsychologie, wobei das Wort «tief» zwei Bedeutungen hat: Zum einen werden die entscheidenden Kräfte unterhalb des Bewusstseins angesiedelt – in einer Schicht des Unbewussten. Zum anderen ist eine zeitliche Tiefe gemeint, da gerade frühkindliche Erfahrungen als sehr bedeutsam für die Persönlichkeitsentwicklung angesehen werden. Hauptmotor psychischen Geschehens sind nach Freud angeborene Triebe. Ursprünglich war das nur der Sexualtrieb, später fügte er noch den Todestrieb hinzu, der nach Freud eigentlich auf Selbstvernichtung gerichtet ist, sich aber auch als Aggression gegen andere Menschen äußert.
Die klassische Psychoanalyse beschäftigt sich also vornehmlich mit den Motivationen und Emotionen und betrachtet diese als weitgehend unbewusst. Art und Ausprägung dieser inneren Prozesse werden vorrangig aus der Person und ihrer Entwicklungsgeschichte erklärt, Kontextfaktoren haben weit weniger Gewicht. Knapp formuliert lautet das Menschenbild: Wir werden von inneren Kräften gesteuert, in die wir nur wenig Einsicht haben.
Die Psychoanalyse bietet aber nicht nur ein Menschenbild. Vor allem ist sie eine Theorie zur Entstehung psychischer Störungen, nämlich durch unbewusste Konflikte, und nicht zuletzt eine Therapiemethode zur Behandlung solcher Störungen (s. Kapitel 8.6 ). Hierin liegt ihre praktische Bedeutung.
In der Fortentwicklung der Psychoanalyse entfernten sich andere Analytiker meist von der Freud’schen Trieblehre und setzten neue Akzente, etwa mit einer stärkeren Gewichtung eines «autonomen Ichs» oder der sozialen Einflüsse. Heute finden interpersonale Beziehungen und ihre Vorgeschichte, zumeist in der Mutter-Kind-Beziehung, besondere Beachtung; wichtige Begriffe sind hier Bindung und Objektbeziehung. Trotz der deutlichen Distanz zu Freud haben diese Sichtweisen wegen der Betonung unbewusster Kräfte und frühkindlicher Erfahrungen weiterhin tiefenpsychologischen Charakter.
Schon früh haben zwei Freud-Kollegen eigene Schulen gegründet. Alfred Adler ( 1870 – 1937 ), der Begründer
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