Abschied von der Küchenpsychologie
der
Individualpsychologie,
sieht nicht so sehr aggressive und sexuelle Bedürfnisse als Hauptmotor psychischen Geschehens, sondern das Geltungsstreben. Mit diesem Streben, so Adler, versuchen Menschen das frühe Erlebnis eines Minderwertigkeitsgefühls zu überwinden. Carl Gustav Jung ( 1875 – 1961 ) erweitert in seiner
Analytischen Psychologie
die sexuelle Triebenergie zu einer allgemeinen Lebensenergie. Weiterhin nimmt er an, dass alle Menschen mit einem «kollektiven Unbewussten» ausgestattet sind, das in symbolischer Form Erfahrungen aus der Menschheitsgeschichte enthält. Solche Symbole seien auch in Märchen, Mythen und Religionen zu finden.
Behaviorismus
Im strengen Behaviorismus gelten innere Prozesse als pure Spekulation und werden nicht untersucht. Damit steht er auf den ersten Blick in krassem Gegensatz zur Tiefenpsychologie. Und doch ist ihren Menschenbildern eines gemeinsam: Bewusstsein und Einsicht gelten in ihnen wenig. Aber nach der Tiefenpsychologie werden wir Menschen unbewusst von innen gesteuert, nach dem Behaviorismus durch äußere Reize.
Der Behaviorismus entstand Anfang des vorigen Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten und blieb dort lange Zeit die beherrschende Strömung. Als Begründer gilt John B. Watson ( 1878 – 1958 ), ein weiterer bekannter Name ist Burrhus F. Skinner ( 1904 – 1990 ). Beide vertreten einen orthodoxen Behaviorismus, der nur objektiv Beobachtbares, nämlich Verhalten und Situationsfaktoren, untersucht, und Aussagen über innere Prozesse für unwissenschaftlich hält. Verhalten erklärt sich danach aus vorangehenden und nachfolgenden Reizen, und Menschen verändern ihr Verhalten, wenn neue Verknüpfungen mit Auslösereizen oder mit Bekräftigungen bzw. Bestrafungen erworben werden (klassische Konditionierung und operante Konditionierung; s. auch S. 69 ). Es ist diese Lerngeschichte, die den einzelnen Menschen formt.
Obwohl behavioristische Forscher zahlreiche Belege für die Wirksamkeit dieser Lernvorgänge vorlegen und nützliche Anwendungen in Erziehung und Therapie demonstrieren konnten, erwies es sich doch auf Dauer als unhaltbar, innere Prozesse außer Acht zu lassen. So entwickelte sich seit den 1960 er Jahren, maßgeblich eingeleitet von Albert Bandura, der sog. Kognitive Behaviorismus. Zwischen Reizen und Verhaltensweisen werden jetzt auch kognitive Prozesse wie Bewertungen und Erwartungen angenommen. Der Mensch ist damit nicht mehr nur ein Reagierender, sondern zugleich ein aktiver Gestalter seiner Umwelt und seiner Lernprozesse. Im Zuge dieser Fortentwicklung wurde auch die aus dem Behaviorismus hervorgegangene Verhaltenstherapie nach und nach immer mehr zur Kognitiven Verhaltenstherapie.
Kognitivismus
Wer den Menschen als denkendes, erkenntnisfähiges und zielgerichtet handelndes Wesen versteht, ist in dieser Theorierichtung am besten aufgehoben. Aus ihrer Sicht verarbeiten wir Informationen aus der aktuellen Situation, und mit Hilfe unserer Gedächtnisinhalte verleihen wir ihnen Bedeutung. Durch bewusstes Handeln verändern wir die Situation, nehmen diese wiederum wahr, geben ihr eine Bedeutung, handeln erneut und so fort in ständigem Wechselspiel.
Der Kognitivismus hat keinen einzelnen Begründer, aber eine Reihe von frühen Vorläufern. Zu ihnen kann man schon Wilhelm Wundt ( 1832 – 1920 ) zählen, der 1879 an der Universität Leipzig das erste psychologische Experimentallabor der Welt gründete (die ersten Experimente befassten sich übrigens mit Reaktionszeiten). Seine Bewusstseinspsychologie setzte ganz andere Akzente als Freuds Lehre vom Unbewussten. In den 1920 er Jahren blühte in Deutschland die sog. Gestaltpsychologie, die empirisch untersuchte, wie sich Wahrnehmungs- und Denkprozesse strukturieren. Einer ihrer Vertreter war Max Wertheimer ( 1880 – 1943 ), der, wie viele Gestaltpsychologen, aus Nazi-Deutschland in die USA emigrierte und dort zu erforschen suchte, wie produktives, schöpferisches Denken zustande kommt. Der Schweizer Jean Piaget ( 1896 – 1980 ) machte sich seit den 1940 er Jahren einen Namen durch seine Theorien zur Entwicklung des kindlichen Denkens.
Zu einer breiten Strömung, die sämtliche Bereiche des psychischen Geschehens erfasst, wurde der Kognitivismus erst etwa seit den 1960 er Jahren. Wo Tiefenpsychologen nach unbewussten Gefühlen und Konflikten suchen und orthodoxe Behavioristen nach Reiz-Reaktions-Verbindungen, bemühen sich Kognitivisten, gedankliche Prozesse aufzuspüren. Einige Stichwörter
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