Abschied von der Küchenpsychologie
Beeinflussung, wie wir sie aus der Werbung oder aus öffentlichen Kampagnen im Bereich der Gesundheit oder des Umweltschutzes kennen. Jeder weiß, dass deren Erfolg nicht nur von der Sache, sondern ganz entscheidend von der Informationsgestaltung abhängt. Dazu gehört die visuelle und auditive «Verpackung», aber auch die besondere Botschaft. Forschungen zeigen, dass kaum etwas so erfolgreich ist wie die Information, dass
andere Menschen
das Gewünschte bereits tun.
In einem Experiment zum Thema Steuererklärung, das im amerikanischen Bundesstaat Minnesota durchgeführt wurde, erhielt ein Teil der Steuerzahler Informationen über die segensreiche Verwendung ihrer Steuern (z.B. für Schulen, Polizei usw.), einer zweiten Gruppe wurde Strafen für Steuerhinterziehung angedroht, einer dritten Gruppe wurde Hilfe beim Ausfüllen der Erklärung angeboten und der vierten wurde nur mitgeteilt, dass 90 Prozent der Bürger ihre Steuern bereits korrekt bezahlt hätten. Und welche Botschaft half der Ehrlichkeit auf die Beine? Nur die letzte, wie Sunstein und Thaler berichten.
Wer die Zahlungsmoral verbessern möchte, sollte also lieber nicht öffentlich die bekannte Klage wiederholen, dass Steuerhinterziehung zum Volkssport geworden sei. Und wenn 15 Prozent der Jugendlichen noch rauchen, sind das zwar immer noch zu viele, aber zu betonen wäre: Die große Mehrheit raucht nicht – es ist cool, nicht zu rauchen.
In gewissem Sinne könnte man solche Einflussnahmen dem interpersonalen statt dem situativen Ansatz zuordnen, weil gewissermaßen mit dem Vorbild anderer Menschen gearbeitet wird. Es handelt sich jedoch insofern um eine rein externe Beeinflussung, als es hier keine Interaktion und Kommunikation mit jenen Menschen gibt, über deren Verhalten informiert wird. Wie man sieht, kann aber eine anonyme Mehrheit ebenfalls als Orientierung für das eigene Verhalten wirken.
Seit ewigen Zeiten versucht man auch, andere Menschen zu bestimmten Handlungen zu zwingen oder zu stupsen, indem man ihnen die Konsequenzen, nämlich Belohnungen oder Strafen, vor Augen hält. Mit positiven
Anreizen
arbeitet man besonders in der Wirtschaft, z.B. in Gestalt von Frühbucherrabatten, Bonuspunkten oder Preisausschreiben;
Strafandrohungen
sind das übliche Mittel gegen kriminelle Handlungen oder falsches Verhalten im Straßenverkehr.
Sehr einflussreich können
unmittelbare Rückmeldungen
zum eigenen Verhalten sein. Da gibt es beispielsweise das Signal im Auto «Ihr Gurt ist noch nicht angelegt» oder die digitalen Tafeln am Straßenrand, die dem Autofahrer in einer Tempo- 30 -Zone mitteilen: «Sie fahren 43 km/h». Dies sind sofortige Rückmeldungen, und die sind wirksamer als verzögerte. Beim Alkoholkonsum etwa stellt sich die gelöste Stimmung schon sehr bald ein, der Kater hingegen viel später. Wer würde sich noch betrinken, wenn es genau umgekehrt wäre?
Ebenso sind
auffällige
Rückmeldungen für das alltägliche Handeln gewöhnlich wirksamer als reine Informationen. Man stelle sich vor: Alle Treibhausgase sind knallrot und man sieht sie z.B. aus dem eigenen Auto, aus Flugzeugen oder aus Rinderpopos aufsteigen – würde das nicht das Autofahren, das Fliegen und den Konsum von Rindfleisch viel wirksamer reduzieren als alle wissenschaftlichen Informationen und alle Appelle von Umweltschützern?!
Selbstlenkung durch Situationsgestaltung
Odysseus hat es vorgemacht: Um nicht dem betörenden Gesang der Sirenen zu erliegen und damit sein Schiff ins Verderben zu steuern, befahl er seinen Mannen, sich die Ohren mit Wachs zuzustopfen, und sich selbst ließ er an einen Mast binden. Das ist ein schönes Beispiel für eine Selbstlenkung durch Gestaltung externer Faktoren; im Fachterminus nennt man das Stimuluskontrolle.
Die gezielte Beeinflussung durch Situationsfaktoren muss also nicht in den Händen anderer Personen liegen – es geht auch in Eigenregie, und jeder Mensch macht es, wenn auch weniger spektakulär als Odysseus. Da heftet man einen kleinen Zettel an die Tür, um sich beim Verlassen des Hauses an mitzunehmende Briefe zu erinnern. Oder ein Raucher kauft sich zum allmählichen Abgewöhnen ein Zigarettenetui, das sich nur alle zwei Stunden öffnen lässt. Oder eine Studentin, die ihrem impulsiven Umgang mit Geld misstraut, bittet ihre Eltern: Überweist mir lieber jede Woche eine Rate und nicht das gesamte Monatsgeld auf einmal. Auch beim Gestalten eines Arbeitszimmers oder einer Wohnung kann man sich von dem Ziel leiten lassen,
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