Abschied von der Küchenpsychologie
Ich-Botschaften dazu beitragen, Ärger und damit mögliche Vergeltungsakte zu vermindern (mehr zum Umgang mit Ärger s.S. 222 ff.). Soweit aggressives Verhalten durch Nutzeffekte motiviert ist, hat man vor allem konstruktive Formen der Selbstbehauptung und Konfliktregelung zu erlernen bzw. sie in der Erziehung zu vermitteln (s. Kapitel 10.1 zu Konfliktregelung sowie 12.4 und 12.5 zu Erziehung). Besondere Wege braucht man zur Eindämmung von Mobbing (hierzu s. Kapitel 9.4 ).
Personen: Was steckt hinter hoher Aggressivität?
Menschen sind zu aggressivem Verhalten unterschiedlich «disponiert»; sie unterscheiden sich im Grad ihrer Aggressivität. Während manche Menschen sich nur selten, nur gegenüber wenigen Menschen und niemals körperlich aggressiv verhalten, tun es andere bei vielen Anlässen, gegenüber vielen Menschen und auch in schwerwiegenden Formen. Häufig gehört ihre Aggressivität zu einem umfassenderen antisozialen Syndrom, das z.B. auch Verkehrsdelikte, Diebstähle und andere Rechtsverstöße mit einschließt.
Menschen unterscheiden sich aber auch in der
Art
ihrer Aggressivität. Manche werden sehr leicht ärgerlich, wo andere gelassen bleiben. Sie fühlen sich häufig provoziert und reagieren dann mit Ärgerausbrüchen und «Retourkutschen» (Vergeltung). Dahinter steckt meist eine sog. verzerrte soziale Wahrnehmung: Überall wittern sie böse Absichten und missverstehen selbst harmlose Bemerkungen, Blicke oder Gesten als gegen sich gerichtet. Während dies ein Fall von ausgeprägter emotionaler Aggressivität ist, neigen Menschen mit hoher instrumenteller Aggressivität beispielsweise zum Berauben, Erpressen und Herumkommandieren. Natürlich kann in einer Person beides zusammenkommen Aber es gibt eben auch Menschen, die zwar emotional heftig reagieren, aber selten Zwang ausüben, und andere, die eher kühle Kriminelle oder Diktatoren sind.
Wieweit sich aggressive Neigungen eines Menschen tatsächlich in sichtbarem Verhalten zeigen, hängt aber auch von seinen Aggressionshemmungen ab, also von der Tendenz, aggressives Verhalten zu vermeiden. Hemmungen hat man vor allem aus Angst vor den Reaktionen der Umwelt und aufgrund moralischer Einstellungen. Die meisten Menschen verhalten sich gewiss seltener aggressiv als ihnen zumute ist, jedenfalls gegenüber den meisten Mitmenschen und in den meisten Situationen – weil sie ihren Hemmungen folgen und sich unter Kontrolle haben. Bei Hochaggressiven sind die Hemmungen relativ schwach ausgeprägt oder die Fähigkeit zur Selbstkontrolle reicht nicht aus, um die Hemmungen auch umzusetzen.
Wodurch entwickelt sich hohe Aggressivität?
Es müssen immer mehrere Faktoren zusammenkommen. Dazu gehört eine genetische Basis, etwa für Affekterregbarkeit oder schlechte Impulskontrolle; auch vorgeburtliche Schädigungen durch Nikotin oder Alkohol kommen hierfür in Frage. Sehr bedeutsam sind natürlich familiäre Erfahrungen wie diese: Das Kind wird vernachlässigt, es erlebt Gewalt und harte Erziehungsmethoden; es fehlt an positiven Verhaltensmodellen und an Verhaltensregeln; aggressives Verhalten ist erfolgreich, aber positives Verhalten läuft ins Leere, wird nicht ermutigt und bekräftigt. Feindselige Behandlung durch andere Menschen scheint vor allem für die Entwicklung emotionaler Aggressivität von Bedeutung zu sein. Instrumentelle Aggressivität entwickelt sich dagegen eher durch aggressiv erfolgreiche Vorbilder, durch eigene Erfolge mit aggressiver Durchsetzung sowie durch Anerkennung in einer aggressiven Gruppe. Von Bedeutung ist weiterhin, welche Wertnormen der Heranwachsende in seiner Umgebung kennenlernt, genauer: welche Anlässe dort als legitimer Grund für aggressive Handlungen gelten, etwa Notwehr, Ungehorsam oder eine Ehrverletzung. Solche Bewertungen bestimmen mit, in welchen Situationen Hemmungen außer Kraft gesetzt werden.
Statistisch gesehen ist Aggressivität ein ziemlich stabiles Personmerkmal. Auffällig aggressive Kinder sind sehr häufig auch im Erwachsenenalter überdurchschnittlich aggressiv. Das ist kein zwangsläufiger Verlauf, aber frühe Anzeichen sollte man ernst nehmen und nicht einfach sagen: «Das wächst sich aus.» Das sog. Trotzen im zweiten und dritten Lebensjahr ist normal und eher impulsiv als aggressiv, aber wenn es in den folgenden Jahren nicht wieder abklingt, sondern sich zu allgemeiner Widersetzlichkeit und tyrannischer Durchsetzung weiterentwickelt, oder wenn Kinder sich gerne in gewalttätige Fantasiewelten
Weitere Kostenlose Bücher