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Abschied von der Küchenpsychologie

Abschied von der Küchenpsychologie

Titel: Abschied von der Küchenpsychologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Nolting
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mochte.
    Der Gehorsam gegenüber Autoritäten ist also ein
elementares
Prinzip des gesellschaftlichen Lebens. Ohne ihn lässt sich keine Gesellschaft organisieren und ist kaum eine Institution handlungsfähig. Doch dieses an sich nützliche Prinzip macht es zugleich möglich, dass Menschen einer Autorität auch dann noch folgen, wenn sie irrt, wenn sie ihre Macht missbraucht oder höchst destruktive Entscheidungen trifft (mehr hierzu in Kapitel  10.5 über politische Gewalt). Vielleicht hilft es ein wenig, wenn man die beschriebenen Mechanismen durchschaut.
    10.4 Aggression: Verhalten, das wehtun soll
    Aggression – da denkt man an Fußtritte, wüste Beschimpfungen, Erpressungen, Geiselnahmen. Aber es geht auch unauffälliger. Man schießt ab und zu kleine Giftpfeile in Form spitzer Bemerkungen ab, man verleumdet einen Menschen heimlich, um seinen Ruf zu ruinieren, oder man macht ihm ein Geschenk, das ihn in Verlegenheit bringt, wie schon der weise Wilhelm Busch durchschaute: Die Tanten schenken der Nichte ein grünes Kleid mit gelben Ranken, denn: «Ich weiß, sie ärgert sich nicht schlecht und muss sich noch bedanken».
    Wieso kann man all diese Verhaltensweisen «aggressiv» nennen? Weil sie darauf abzielen, andere zu schädigen bzw. ihnen wehzutun, wobei «wehtun» hier für das absichtliche Erzeugen unangenehmer Empfindungen steht. In dieser Bedeutung wird der psychologische Aggressionsbegriff gewöhnlich verstanden. Die Alltagssprache bezeichnet zuweilen auch energisches «In-Angriff-nehmen» oder Einwirken als aggressiv («aggressive» Werbung, «aggressive» Musik etc.), doch um solche Ausweitungen geht es hier nicht. Es geht um körperliche und verbale Attacken, um nonverbale Herabsetzungen (böse Blicke, Stinkefinger usw.) und um verdecktes Wehtun. Als
Gewalt
werden gewöhnlich schwere Formen aggressiven Verhaltens bezeichnet, insbesondere körperliche Angriffe.
    Leider versteht die Alltagssprache unter «Aggression» oder «Aggressionen» nicht nur
Verhaltensweisen
, sondern auch
Emotionen
bzw. Impulse («Aggressionen haben», «Aggressionen rauslassen», vgl. S.  217 ff.). Innere Empfindungen und sichtbares Verhalten werden somit im selben Wort vereinigt. Diese sprachliche Verschmelzung wäre wenig problematisch, wenn Aggression als Verhalten mit Aggression(en) als Emotion untrennbar verbunden wäre. Aber ist das so? Nein, keineswegs!
    Aggression ist nicht gleich Aggression
    Solche Fälle kennen wir aus der Zeitung: Täter A hat einen Menschen erschossen, und zwar aus Hass. Täter B hat dasselbe getan, aber für Geld. Hass und Rachegelüste sind zweifellos aggressive Emotionen. Doch viele aggressive Handlungen, darunter schwerste Gewalttaten wie Raubüberfälle und Geiselnahmen, entstehen gewöhnlich nicht aus solchen Gefühlen. Aggressives Verhalten kann also recht unterschiedlich motiviert sein, und es ist seit langem in der Psychologie üblich, zumindest zwei Haupttypen zu unterscheiden: emotionale Aggression und sog. instrumentelle Aggression. Sehr knapp formuliert: Dominiert der Affekt oder der Effekt?
    Emotionaler
Art ist vor allem reaktive Aggression aus Ärger und Feindseligkeit, häufig in Form von Racheakten (Vergeltung). Emotional ist aber auch die seltenere aktive Lustaggression (s.u.). In beiden Fällen ist das Wehtun selbst das Ziel und verschafft emotionale Befriedigung:
    Aggressive Emotion
→ Wehtun
→ emotionale Befriedigung
A ist verärgert über Mitschüler B
A zerkratzt das Handy von B
Genugtuung bei A
    Bei der
instrumentellen
Aggression ist das Wehtun nur Mittel zum Zweck, nämlich etwas abzuwenden oder etwas zu erlangen:
    Nichtaggressives Bedürfnis
→ Wehtun
→ Nutzeffekt
→ Befriedigung
A will B das Handy wegnehmen
A schlägt auf B ein
B gibt sein Handy her
A freut sich über das Handy
    Wenn es darum geht, z.B. Geld oder Beachtung zu erlangen, ist instrumentelle Aggression ein aktives Verhalten. Das Abwenden oder Abwehren eines Angriffs oder einer Belästigung ist eine reaktive Variante instrumenteller Aggression.
    Es trägt wesentlich zum Verständnis aggressiver Handlungen bei, wenn man nach der Art der Motivation fragt und danach differenziert. Deshalb möchte ich die vier genannten Typen noch ein wenig erläutern: Vergeltungsaggression, Abwehraggression, Erlangungsaggression und Lustaggression.
    Die
Vergeltungsaggression
ist eine Reaktion auf negative Ereignisse wie Provokationen, Kränkungen, körperliche Angriffe etc. Sie ist eine reine Bestrafungsaktion, mit

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