Abschied von Eden
arbeiten Sie denn mit ihr?« fragte die Frau.
»Detective Dunn ist die beste.« Decker lächelte die mittelalterliche Hausfrau an. »Na, Sie wissen doch, wie das mit uns Männern ist. Wenn wir euch Frauen nicht hätten, um uns den ganzen Papierkram in Ordnung zu halten, kriegten wir nie was geschafft.«
Marge hustete. Deckers Gesicht blieb regungslos.
Die Frau lächelte ihn mit ihren schmalen blassen Lippen an. »Da sagen Sie was. Kommen Sie doch rein. Es ist heiß draußen.«
»Sie sind Mrs. Howard?« fragte Marge.
»Als ich das letzte Mal nachgesehn hab’, war ich’s noch, Miss Detective.« Sie ging einen Schritt zur Seite, um die beiden hereinzulassen. »Sie können mich ruhig Darlene nennen. Alle nennen mich Darlene. So heiß ich eben.«
»Danke, Darlene«, sagte Decker.
Sie gingen hinter ihr her durch ein sonnendurchflutetes Wohnzimmer. Die Möbel waren aus makellosem rustikalem Kiefernholz, das glatt wie Porzellan geschmirgelt war. Nach der Farbe des Holzes zu urteilen, mußten die einzelnen Stücke mindestens fünfzig Jahre alt sein. Zwei knapp zwei Meter lange Sofas mit weiß-blau geblümten Polstern standen sich gegenüber. Über den Armlehnen lagen Spitzendeckchen, und kleine Kissen mit Petitpoint-Muster zierten die Rückenlehne. Der Kamin hatte eine Platte aus Holz. Über ihm hingen Tücher, die mit Früchten und Gemüsen bestickt waren.
Darlene führte sie in die Küche, die den hinteren Teil des Hauses einnahm. Sie war doppelt so groß wie das Wohnzimmer und mit den modernsten Utensilien ausgestattet – Gefrierschränke, Küchenmaschinen, Kupferpfannen, die an den Wänden hingen, und ein professioneller Herd mit Kochmulde, der die gesamte Rückwand einnahm. Auf den Flammen standen dampfende Kessel. Obwohl alle Fenster aufstanden, war der Honiggeruch überwältigend. Eine dürre Blondine, die ihnen den Rücken zuwandte, rührte in einem Topf. Aus dem Radio plärrte Randy Travis, der wünschte, es wäre noch einmal 1982.
»Wer war das, Darl?« fragte die Blondine mit lauter Stimme.
»Guck doch selbst!« brüllte Darlene.
Die Blondine fuhr herum. »Du liebe Zeit. Warum hast du mir denn nicht gesagt, daß wir Besuch haben?«
Sie war sehr viel jünger als Darlene und hatte ein ovales Gesicht mit Sommersprossen, das vom Dampf rosa und feucht war. Ihre hellbraunen Augen waren überrascht aufgerissen. Sie trug eine lange Schürze über Jeans und T-Shirt. Ihr Lächeln war zwar schief, aber Marge gefiel es. Das war das erste freundliche Gesicht, das sie hier sah.
»Setzen Sie sich doch«, sagte die Blondine und schaltete die Musik aus. »Ich bin Annette.«
»Sehr erfreut, Ma’am«, sagte Decker. »Ich bin Detective Decker, und das ist Detective Dunn.«
Annettes Gesicht verdunkelte sich.
»Sie sind von der Polizei«, sagte Darlene.
»Was soll denn das?« fragte Annette.
»Das war aber nicht sehr höflich, Nettie«, schalt Darlene sie. »Hol den Leuten mal was Eistee. Siehst du denn nicht, daß sie schwitzen?«
»Ach ja«, sagte Annette. Sie fummelte an ihren Haaren herum, die in einem Netz steckten. »Natürlich, tut mir leid. Setzen Sie sich bitte.« Sie zeigte auf einen runden Tisch aus Kirschholz am Eingang der Küche.
»Danke, Ma’am«, sagte Decker.
»Ich hol’ Ihnen was Honigkuchen«, sagte Darlene. Ihre Finger strichen über Deckers Schulter.
»Hier riecht es aber gut«, sagte Decker.
»Das sagen Sie bestimmt zu allen Leuten, zu denen Sie kommen«, sagte Darlene.
Decker dachte an die Besuche, die er üblicherweise machte – Frauen, die vergewaltigt und oft auch noch geschlagen worden waren, Kinder, die man körperlich und sexuell mißbraucht hatte, minderjährige Punks, die ihre Oma voll Blei gepumpt hatten, während sie mit Jim Jones oder Engelsstaub vollgedröhnt waren.
»Nein, das sage ich nicht zu allen Leuten, zu denen ich komme«, sagte er. »Und das meine ich ganz ehrlich.«
Darlene stellte ihnen zwei Stücke Honigkuchen hin. Decker probierte eine Gabel von dem mokkafarbenen Gebäck. Er kaute ganz langsam. Marge fragte sich, wie er das nur so lange zerkauen konnte.
»Und?« fragte Darlene.
»Es gibt nur ein Problem«, sagte Decker.
»Was denn?«
»Das Stück ist zu klein.«
»Na Sie«, sagte Darlene und schlug ihm leicht auf die Schulter. »Ich hol’ Ihnen noch eins. Aber essen Sie erst mal auf.«
»Ja, Ma’am«, sagte Decker.
»Und wie schmeckt es Ihnen?« fragte Darlene Marge.
»Köstlich«, sagte Marge. Und das stimmte. Der Kuchen war fast zu üppig und
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