Abschied von Eden
Annette: »Beurteilen Sie Darl bitte nicht zu hart.«
»Ich nehme an, daß Byron und Linda mal ein kleines Techtelmechtel miteinander hatten«, sagte Decker.
»Es war furchtbar. Einfach furchtbar. So wie Darl darüber redet, sollte man meinen, es ist gestern passiert und nicht vor vier Jahren. Sie erzählt immer noch, sie würd’ rübergehen und Linda ein paar mit ’ner Pistole überbrennen …« Annette hielt kurz inne. »Das meint sie natürlich nicht im Ernst.«
»Natürlich«, sagte Decker, merkte sich die Äußerung jedoch ganz genau.
»Darl kommt einfach nicht drüber weg. Es ist nicht gut für die Kinder, wenn sie jedes Mal ausrastet, sobald Lindas Name nur erwähnt wird.« Annette nahm das Netz von ihrem Haar. »Wissen Sie, was mich am meisten nervt?«
»Was?«
»Nicht daß ich Lindas Verhalten entschuldigen möchte – nein, nicht entschuldigen. Wie heißt das richtige Wort?«
»Rechtfertigen«, schlug Decker vor.
»Ja, genau«, sagte Annette. »Ich möchte ihr Verhalten nicht rechtfertigen. Aber schließlich war Byron mit Linda in diesem Motel. Alle regen sich über Linda auf, wie schlecht sie wär’. Pappy Howard schimpft über sie, und Pappy und Granny Darcy ebenfalls. Alles ist angeblich ihre Schuld. Aber seien wir doch mal ehrlich, Mister Detective, es gehören immer zwei dazu. Und keiner sagt auch nur einen Ton gegen Byron.«
»Selbst Darlene nicht?«
»Besonders Darlene nicht«, sagte Annette. »Sie tut so, als könnte er überhaupt nichts dazu. Als hätte Linda ihn verhext. Aber Sie wissen doch genauso gut wie ich, daß Linda Byron nicht gekidnappt und in dieses Motel verschleppt hat.«
Decker trank einen Schluck Tee. »Welches Motel war das?«
»Eins in der Stadt, nennt sich Sleepy-Bi. Darlene hat bei Byron in der Tasche ein Streichholzheftchen gefunden und ihn gefragt, wie er da drankäm. Erst hat er herumgedruckst, dann hat er’s zugegeben. Mein Gott, war das ein Drama!«
»Sehen sich Linda und Byron noch?« fragte Decker.
»Nein, Sir«, sagte Annette. Sie schüttelte ihr Haar und bernsteinfarbene Strähnen fielen ihr auf die Schultern und rahmten ihr Gesicht ein. Mit offenen Haaren wirkte sie jünger und hübscher. »Sie haben’s nur einmal getan, vor vier Jahren.«
»Nur ein einziges Mal?«
»Das jedenfalls hat Byron Darlene erzählt. Und ich glaube ihm. Ich möchte immer das Beste von den Menschen denken.«
»Keiner von beiden hat sich scheiden lassen, oder?« fragte Decker.
»Nope.«
Das paßt, dachte Decker. Eine Frau wie Darlene würde ihren Mann nie freigeben. Beißt sich an ihrem Ärger fest und macht ihm das Leben zur Hölle. »Yeah, Darlene ist wohl nicht der Typ, der sich scheiden läßt«, sagte er.
»Da haben Sie recht, Mister«, sagte Annette.
Dann fragte Decker nach Luke, ob er der Typ sei, der sich scheiden ließe. Annette schien mit sich selbst zu kämpfen. Wie viel sollte sie sagen, inwieweit konnte man diesem Fremden trauen? Er starrte sie einige Sekunden an, dann schenkte er ihr ein entwaffnendes Lächeln.
Annette begann von neuem an ihrem Daumennagel zu kauen. »Nun ja, Lukes Mom, Granny D, war schon so weit, daß sie Linda achtkantig rausschmeißen wollte. Zwischen Schwiegertöchtern und Schwiegermüttern gibt es ja immer viele Probleme, wie Sie sicher wissen. Aber bei den beiden war es mehr als der übliche Konkurrenzkampf.«
»Das kann ich mir vorstellen. Alle Eltern, die zu ihren Kindern halten, wären in so einem Fall wütend gewesen.«
»Ja, sie stehen ganz auf Lukes Seite, und sie waren verdammt wütend, das kann ich Ihnen sagen. Pappy und Granny D haben sich den Mund fusselig geredet, aber Luke wollte nichts von Scheidung hören. Er ist ein netter Kerl. Unterhält sich immer noch freundlich mit Byron, und ist auch nett zu Linda. Alle würden die ganze Sache am liebsten vergessen. Das heißt, alle bis auf Darlene.«
»Wie alt ist Linda?«
»Oh, da macht sie ein Geheimnis draus, aber ich nehm’ an, ungefähr vierzig.«
»Also ein ganzes Stück jünger als Byron.«
»Byron ist zweiundfünfzig«, sagte Annette. »Ich glaub’, das hat auch eine wichtige Rolle bei der Sache gespielt. Midlife-crisis, wie man so sagt.«
»Wie alt ist Luke?«
»Ungefähr so alt wie Linda. Er sieht allerdings jünger aus. Ganz bestimmt jünger als Linda. Vielleicht ist er es ja auch. Weiß der liebe Himmel, was Linda in Byron gesehen hat. Haben Sie Byron schon kennengelernt?«
Decker bejahte das.
»Byron ist ein feiner Kerl, aber kein Magnum. Und Luke sieht
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