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Abschied Von Freistatt

Titel: Abschied Von Freistatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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bestanden hätte, daß Strat für sie blieb, was er ihr gewesen war.
    Doch all das war gefährlich geworden und unmöglich. Und jetzt, nachdem sie Crits verzweifelten Schritt zurückgewiesen, nachdem sie den jungen Wegelagerer aus dem Haus geworfen hatte, wanderte sie durch das Lagerhausviertel nahe dem Fluß auf die Straße der Oberstadt zu, die den Hügel hinaufführte.
    Und sie dachte an das, was hätte geschehen können - in jenen ungewöhnlichen Tagen voll Frieden auf den verwüsteten Straßen von Freistatt; in diesen ungewöhnlichen Tagen des Krieges im Herzen des Reichs.
    Sie gelangte zur Hochstraße, an der in halber Höhe ein Haus mit bretterverschlagenen Fenstern und Gittern an den Türen stand.
    Und hangab - quer über ein oder zwei Straßen in eine weder sehr ärmliche, noch sonderlich wohlhabende Gegend -, zu einem Haus, das sie ebenfalls kannte.
    »Was ist los?« fragte Moria, als Stilcho schweißüberströmt in ihrem Bett erwachte, in diesem schönen Haus, das sie sich nun leisten konnten. »Was ist los?« wiederholte sie und klammerte sich an ihn. Doch er befreite sich aus ihrer Umarmung -manchmal wollte er es nicht, in manchen Nächten konnte er nicht. Diesmal setzte er sich nackt und zitternd an die Kante ihres Bettes und starrte in die Dunkelheit. »Zünde die Lampe an«, bat er Moria. »Zünde sie an!«
    Und Moria, als Ilsigerin geboren, als Diebin und Tochter von Dieben in dieser Stadt, rannte nach Stroh und Lampe und der Glut im Herd, um eine kleine Flamme anzuzünden, die Licht auf die bescheidenen Räumlichkeiten warf und die Visionen der Hölle vertrieb.
    Denn ihr Gatte (so nannte sie ihn) war einmal durch die Hände der Bettler von Abwind gestorben, daher die Narben am ganzen Körper und im Gesicht - und die Hexe hatte ihn zurückgeholt, und zwar alles von ihm, außer seinem Auge. (1)
    Dieses Auge war noch in der Hölle, von wo sie ihn zurückgeholt hatte; und wenn kein Licht war, das sein lebendes Auge abzulenken vermochte, blickte es selbst jetzt noch manchmal in die Hölle.
    Wo er die Toten in ihren Qualen sah und wo die Dämonen noch in Freistatt lauerten, Dämonen aller verruchten Lüste, wie sie seit eh und je Menschenherzen verführt hatten.
    »Stilcho«, murmelte Moria, schlang die Arme wieder um ihn, zog die Decke über ihn, um ihn vor der Kälte der Nacht zu schützen, küßte ihn, aber ihm war immer noch kalt.
    Weil SIE ihn als ihren Gesandten in die Hölle benutzt hatte -so oft. Er war IHR Liebster gewesen und war gestorben, wie ihre Liebsten sterben mußten; und immer hatte er an ihrem mystischen Band gehangen, das ihn ins Leben zurückzog.
    »Sie ruft mich«, flüsterte Stilcho. Er langte nach Morias Arm, schmiegte sich an Morias Wärme, als die Kälte des Grabes nach ihm griff.
    Moria drückte ihn an sich. Die ganze Zeit, die sie - Ischades entflohener Liebhaber und Ischades entflohene Dienerin - von dem Gold lebten, das sie Ischade gestohlen hatten,* waren sie am Rand des Abgrunds gewandelt. Und jetzt - jetzt wachte er schweißgebadet auf und hörte SIE rufen, ganz deutlich hörte er es:
    Ich brauche dich! rief sie. Komm zu mir!
    »Ich höre sie ebenfalls«, wisperte Moria. »O ihr Götter, nein -geh nicht!«
    Haught, der Exsklave, der Tänzer, der Magier, erwachte ebenfalls aus seinem Schlaf in einem verbarrikadierten Haus -regte sich an der Seite der Kreatur, mit der er sein Exil teilte -,** stieg aus dem Bett und trat ans Fenster und spürte etwas -endlich, auch wenn es vielleicht die Bedrohung durch Hölle und Tod war.
    Er blickte aus dem Fenster und sah schaudernd die schwarzvermummte Gestalt auf der Straße.
    Sah, daß SIE zu ihm heraufblickte, und spürte, wie IHR Blick tief in sein Inneres drang, und sie wußte genau, daß er SIE in diesem Moment beobachtete.
    »Herrin«, flüsterte er und sehnte sich nach der Geborgenheit, die SIE ihm geben könnte - er, der hochmütige Haught, der IHR Lehrling gewesen war, ihr ungehorsamer Lehrling. Er spürte, daß er fröstelte - doch das mochte an der Kälte liegen -, und er spürte eine Schwäche in seinen Gliedern - was am Hunger liegen mochte, denn nur Zauberei hatte ihn in diesem verbarrikadierten Haus erhalten, nachdem die Vorräte im Keller vor langer Zeit schon aufgebraucht waren.
    Ihm schien, daß er ihre Stimme ganz deutlich zu ihm reden hörte, daß sie sagte, wenn er ihr wieder dienen würde, winkte ihm vielleicht die Freiheit.
    Obgleich selbst einst ein Magier, war er nun ein Gefangener von etwas viel Schlimmerem.

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