Abschied Von Freistatt
Schenken im Schlachthofviertel. Das Haus war aus den Ruinen wieder aufgebaut, aber der Brandgeruch haftete ihm immer noch an. Und es hatte einen Keller, in den sich nach Sonnenuntergang niemand begeben wollte. Über der Tür hing ein gehämmertes Schild, das einen fleißigen und erstaunlich wohlhabenden Kesselflicker bei der Arbeit zeigte.
»Willst du reden?« Thrusher schob Walegrin einen Holzbecher über den Tisch zu.
Der Kommandant schüttelte den Kopf, doch unwillkürlich machte er seinen Gedanken Luft. »Was ist hier nur los?« fragte er, ohne eine Antwort zu erwarten. »Ein anständiger Soldat hilft einer törichten Frau Abfall von einem Händler kaufen, dessen Vorfahren Schlangen und Fische waren.«
Thrusher schüttelte den Kopf. »Du hättest weggehen können. Du könntest es noch immer.«
Walegrin leerte den Becher und füllte ihn aus der Kanne nach. Er hatte es nicht ernsthaft in Erwägung gezogen, sich den Stiefsöhnen anzuschließen, als sie die Stadt verließen, obwohl er dann nach drei Jahren hätte ausscheiden können und ein hübsches Häufchen Gold bekommen hätte sowie genug Land, um eine ganze Handvoll Erben zu ernähren. Trotzdem war er in Freistatt geblieben, ohne Garantie, daß Fackelhalter oder der Prinz seine Jahre im Dienst des Reiches anerkennen würden.
»Verdammt - ich bin hier daheim!« Er setzte den Becher heftiger ab als beabsichtigt. Sofort richteten sich alle Blicke in der Gaststube wachsam auf ihn. Thrusher lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und musterte heimlich seinen Kommandanten, während er an seinem Becher nippte.
Kein Zweifel, die letzten paar Jahre hatten Walegrin altern lassen. Aber so war es allen ergangen, die diese Jahre nicht umgebracht hatten. Das Alter hatte die Kanten seines Gesichts weicher gemacht und ihm einen Anschein von Weisheit gegeben, ohne ihm die Stärke zu nehmen. Er war jetzt viel ruhiger denn vor fünf Jahren, als er seine Männer mit dem Geheimnis des Enlibarstahls* in seine Geburtsstadt geführt hatte.
Thrusher dachte daran, vielleicht selbst nordwärts, zur Hauptstadt, zu ziehen, falls der selbstquälerische, heimgesuchte Walegrin jener Zeit wieder die Oberhand gewann - und mit dieser Überlegung legte der Leutnant den Finger auf das Problem seines Freundes.
»Frauen, hm? Die Frau am Kai?«
Walegrin brummte und drehte den Becher in der Hand. Er sprach nicht gern von Frauen. Sein Vater war einer Frau wegen umgebracht worden - umgebracht und verflucht. Walegrin war sich nicht sicher, ob dieser Fluch nicht auf ihn übergegangen war. Illyra, seine Halbschwester, behauptete, nein. Aber nicht einmal S'danzo-Sicht vermochte mit Gewißheit zu sagen, wo normales Pech aufhörte und ein Fluch begann.
Für Walegrin verlief die Trennlinie zwischen Pech und Fluch mitten durch Chenaya Vigeles. Chenaya gehörte zu der Art von Frauen, von denen ein mittelloser Mann träumt. Sie war schön und reich, sinnlich und reich, bereitwillig und reich. Als Molin Fackelhalter gesagt hatte, der Palast benötige Augen und Ohren auf dem Landbesitz der Vigeles, hatte Walegrin sich freiwillig gemeldet. Schon damals hätte Chenayas Ruf einem vernünftigeren Mann zu denken gegeben. Und das führte zu der Frage: War es Pech oder Dummheit, die einen Fluch wirksam werden ließ?
Chenaya hatte einen Narren an ihm gefressen, auf die Weise, wie ein Züchter an einem bestimmten Bullen oder Hengst. Sie hatte ihn mit in ihr Bett genommen und ihm Erfahrungen geschenkt, die er sich auf der Straße der Roten Laternen nie hätte leisten können. (4) Eine, vielleicht auch zwei Wochen, aber bestimmt keinen ganzen Monat, hatte Walegrin im siebenten Himmel geschwebt. Dann hatte Chenaye herausgefunden, für wen ihr Liebster arbeitete. Molin Fackelhalters Mißtrauen gegenüber seiner Nichte war harmlos, verglichen mit Chenayas Haß auf ihren Onkel. Eine andere Frau hätte Walegrin vielleicht getötet, während er wehrlos in ihrem Bett lag, aber nicht Chenaya.
Die Fronten waren abgesteckt, und Walegrin von der Garnison war sowohl Waffe wie Schlachtfeld. Als Chenaya aus der Stadt verschwunden war (5) - was allerdings nicht Fackelhalter zuzuschreiben war -, hatte Walegrin sich entschlossen, die Gesellschaft von Frauen zu meiden. Er würde eine Gattin nehmen müssen, wenn er sein Offizierspatent zurückgab, um sich von der Armee auszahlen zu lassen. Aber eine Gattin mußte nicht unbedingt dasselbe wie eine Frau sein.
Sie ist wieder da!
Das erfuhr er vor einem Monat, während er tief in der
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