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Abschied Von Freistatt

Titel: Abschied Von Freistatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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lange genug, um sicher zu sein, ob die Frau Chenaya war oder nicht. Wahrscheinlich nicht. Chenaya hatte wenig Grund, den Palast zu besuchen, und wenn sie es tat, dann gewöhnlich in ihrer Kampfrüstung.
    »Stimmt was nicht, Kommandant?« erkundigte sich Wedemir.
    Walegrin zuckte zusammen. Ihm war nicht bewußt gewesen, wieviel Zeit er seinen Gedanken nachhing, bevor er Wedemir an der Seite hatte. Thrusher wußte, wie man sich unaufdringlich im Hintergrund hielt; Wedemir nicht. Das war nicht des jungen Mannes Schuld, aber es sorgte für eine gewisse Spannung zwischen ihnen.
    »Wartet hier, ich will etwas aus der Turmstube holen.«
    »Kann ich das nicht für Euch holen?«
    »Ihr Götter der Tiefe, Ihr seid nicht mein Bursche, sondern Offizier in der r.« Walegrin fing das unpassende Wort gerade noch auf der Zungenspitze ab. Erst heute morgen hatte der Prinz eine Ermäßigung der Haushaltssteuer verkündet, ohne Ranke oder den Kaiser zu erwähnen. Wessen Offiziere sie auch sein mochten, jedenfalls nicht mehr der rankanischen Armee. »Wartet hier!«
    Wedemir erstarrte an Ort und Stelle. Walegrin nahm die Turmstufen je zwei auf einmal. Er wollte dieses blonde Haar noch einmal sehen, um zu vermeiden, den falschen Weg mit Wedemir zu nehmen. Er beugte sich über das Geländer. Die Posten folgten seinem Blick und schauten ihn an. Der Kommandant entdeckte die Gesuchte, sie sprach zu einem Wasserverkäufer. Aber aus diesem Blickwinkel konnte er ihr Gesicht immer noch nicht sehen.
    »Wonach haltet Ihr Ausschau?« fragte ihn schließlich einer der Soldaten.
    Walegrins Hände ums Geländer verkrampften sich, während er nach einer Ausrede suchte. »Ich wollte nur sehen, ob es vielleicht irgendwo zu Aufläufen gekommen ist, zu Problemen,
    Unruhen. Möchte meinem neuen Leutnant ein wenig Abwechslung verschaffen.«
    »Es ist so ruhig wie in einem Tempel«, versicherte ihm ein anderer Soldat, der immer noch den Blick über die Stadt schweifen ließ. »Genauso, wie Ihr es mögt.«
    »Aber schon den ganzen Tag kommen Beschwerden von der Oberstadt. Etwas muß verendet sein, dem Lärm - eh, dem Geruch nach. Ist aber offenbar nichts Ernstes, und es breitet sich auch nicht aus, darum habe ich noch niemanden geschickt«, warf der erste Soldat ein.
    »Etwas ist verendet?« fragte der Kommandant.
    »Nun, seit dem Morgengrauen waren vier Personen hier, die sich beschwerten, weil sie den Gestank nicht aushalten, wie sie sagten. Mehr wissen wir nicht. Niemand hat gesehen, was verreckt ist, alle sagten nur, daß es schlimmer stinkt, als das volle Leichenhaus in der Mittagssonne.«
    Die blonde Frau wandte sich westwärts. Die Oberstadt war im Osten.
    »Wir sehen nach.«
    Walegrin hätte auf jeden Fall die Oberstadt patrouilliert, unabhängig von der Richtung der Goldhaarigen. Die Soldaten im Turm waren aus den Arbeiterscharen rekrutiert worden, die Molins Mauer gebaut hatten. Für sie war die Oberstadt nur ein Viertel wie jedes andere auch.
    Wedemirs Gesicht straffte sich, als Walegrin die Worte tot und Oberstadt im gleichen Satz nannte. Unwillkürlich langte der junge Mann nach seiner Waffe, und ebenso unwillkürlich machte er mit der anderen Hand das ilsigische Schutzzeichen. Der Kommandant konnte es ihm nicht verdenken, wenngleich er selbst kein Vertrauen zu solchen Gesten oder Amuletten hatte.
    Im Laufschritt rannten sie durch das Tor. Die Dringlichkeit ihrer Mission war nicht zu übersehen, und die paar Leute auf der Straße machten ihnen hastig Platz. Der Gestank erhob sich wie eine Wand vor der Zuflucht.
    »Was ist verendet?« fragte Wedemir. Obwohl ihm ein derartiger Gestank noch nie zuvor untergekommen war, hatte er doch zweifellos mit etwas Verwesendem zu tun.
    Walegrin zuckte mit den Schultern und rückte sein Stirnband zurecht. Die Zuflucht war leer, alle Fensterläden geschlossen. Er könnte seiner Nase folgen oder sich auf seine Instinkte verlassen. Er wählte letztere Möglichkeit, bog in eine Gasse ein und rannte eine abgetretene Steintreppe hinauf, dicht gefolgt von Wedemir. Wer jene Nacht überlebt hatte, würde diesen Weg nie vergessen!
    Sie gelangten auf einen ausgebrannten Hof. Das Pereshaus sah fast noch genauso aus wie nach dem Brand. Stürme hatten ein paar Trägerbalken mehr umgeworfen und einen versengten Baum, aber ansonsten hatte sich niemand hierhergewagt, um sich von dem Holz oder der Holzkohle zu holen. Nach den Tumulten während des falschen Pestalarms hatte es ein gutes Dutzend ausgebrannter Häuser gegeben, doch

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