Abschlussfahrt
springen heraus und jeder schnappt sich eines der Mädels. Sie halten sie im Polizeigriff fest, einen Arm auf dem Rücken, Yvonne quiekt. Seba will losstürmen, wahrscheinlich um seine Angebetete heldenhaft zu retten.
Ich halte ihn fest. »Nicht! Bleib hier!«
»Aber wir müssen doch irgendwas machen!«
»Wenn wir da jetzt hingehen, sind wir vielleicht auch dran«, erwidere ich. »Und damit ist keinem geholfen.«
Die schreiende Frau gesellt sich zu den Polizisten, ihre Handtasche in der Luft wedelnd. Der Kellner steht auch dabei, es wird viel geschrien und gestikuliert. Die Frau öffnet ihre Handtasche und zieht ihr Portmonee heraus. Das Geschrei wird noch lauter. Ein weiteres Polizeiauto fährt vor. Zwei Carabinieri steigen aus. Sie reden kurz mit ihren Kollegen, dann öffnen sie die hinteren beiden Türen ihres Streifenwagens. Die Mädels werden hineinverfrachtet und weg sind sie.
»Ach du Scheiße!« Seba hält sich entsetzt die Hand vor den Mund.
Allerdings. Damit habe ich jetzt auch nicht gerechnet. Sacken die doch einfach unsere Mädels ein. Das ist nicht gut. Das ist gar nicht gut.
»Was machen wir denn jetzt?« Seba starrt mich verzweifelt an.
Da gibt es wohl nur eine Lösung, auch wenn sie mir nicht gefällt.
»Wuttke«, sage ich.
Ungefähr eine halbe Stunde später steigen wir mit Wuttke vor der Polizeistation von Lucca aus einem Taxi. Marlon ist auch dabei, weil ich ihn angerufen habe.
»Ich will da drinnen keinen Ton von euch hören«, brummt Wuttke. »Vor allem von dir nicht, Marlon!«
»Zu Befehl, Herr Kommandant!«
»Marlon, das ist jetzt wirklich keine Zeit für deine blöden Witze!«, faucht Wuttke ihn an. »Reiß dich gefälligst zusammen!«
»Sir! Jawohl! Sir!«, bellt Marlon.
Wuttke schüttelt resigniert den Kopf und wir folgen ihm auf die Polizeistation.
Das Erste, was wir sehen, sind unsere Mädels. Sie sitzen nebeneinander auf einer Holzbank, an deren Streben sie mit Handschellen fixiert sind. Yvonne schluchzt leise vor sich hin, Nele sieht leicht verängstigt aus und Henny grinst sich einen. Marlon zückt sofort seine Digi-Cam. Er drückt ab, es blitzt.
»Marlon!«, zischt Wuttke ihn an. »Spinnst du? Weg mit dem Ding!«
Die Mädels haben uns entdeckt.
»Jonas!«, ruft Nele.
»Seba!«, fiept Yvonne.
»Wird auch Zeit«, sagt Henny.
Ein Carabiniere mit finsterer Miene kommt auf uns zu und spricht Wuttke auf Italienisch an. Sie reden eine Weile. Der Carabiniere zeigt auf die Frau mit der Handtasche, die sich offensichtlich noch immer nicht beruhigt hat.
»Ihr wartet hier«, wendet sich Wuttke an uns und folgt dem Carabiniere zu der Frau.
Marlon zückt sofort wieder die Kamera und schießt noch ein Foto.
»Marlon, lass das!«, fährt Yvonne ihn an und verdeckt ihr Gesicht mit der freien Hand.
»Was denn? Das sind wertvolle Zeitdokumente. Die kommen in unsere Abschlusszeitung.«
»Auf gar keinen Fall!«, fiept Yvonne. »Meine Eltern bringen mich um, wenn sie das sehen!«
»Tja, Yvonne, Pech gehabt. Jetzt hab ich dich für immer in der Hand.«
Seba kniet sich vor Yvonne. »Keine Sorge. Der verarscht dich nur. Die kommen schon nicht in die Abschlusszeitung.«
Nele streckt mir ihre Hand entgegen. Ich drücke sie fest.
»Alles okay bei dir?«, frage ich mit besorgtem Blick.
»Ja«, antwortet sie. »Geht langsam wieder. Die haben uns echt behandelt wie Schwerverbrecher.«
»Ach, das war nur Show«, winkt Henny ab. »Die können uns gar nichts, und das wissen die genau.«
»Du musst das Geld zurückgeben!«, zischt Yvonne.
»Ich muss überhaupt nichts«, erwidert Henny. »Solange niemand danach fragt, behalten wir die Kohle. Denk doch mal nach. Das wäre ja quasi ein Schuldeingeständnis, wenn ich jetzt so einfach das Geld auf den Tisch lege.«
»Geld?«, fragt Marlon. »Was denn für Geld?«
»Hundertzwanzig Euro«, antwortet Henny und zeigt auf ihre Hosentasche.
»Von Geld habt ihr aber gar nichts gesagt«, wendet sich Marlon an uns.
»Das musste Wuttke ja auch nicht unbedingt wissen«, sage ich.
»Glaubt ihr, er kriegt das wieder hin?«, fragt Nele besorgt.
»Klar kriegt er das hin«, antworte ich und drücke wieder ihre Hand.
Ich drehe mich zu Wuttke um. Er wirft einen sehr finsteren Blick in unsere Richtung.
»Oh, oh«, sagt Marlon. »Das sieht aber nicht gut aus.«
»Oh Gott, oh Gott!«, fängt Yvonne an zu schluchzen. »Die sperren uns bestimmt ein! Und mein Vater bringt mich um! Oder er schickt mich ins Kloster!«
»Unsere Drama-Queen«, seufzt Henny
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