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Abschlussfahrt

Abschlussfahrt

Titel: Abschlussfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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Hennys Füßen liegt eine edel aussehende Damenhandtasche, in der sie herumwühlt.
    »Wir haben sie aber nicht gefunden!«, protestiert Yvonne. »Die Frau hat sie vergessen!«
    »Genau.« Henny nickt. »Die Frau hat sie vergessen und wir haben sie dann gefunden.«
    »Geklaut! Wir haben sie geklaut!«
    »Ja, was denn nun?« Ich schaue verwirrt von Henny zu Yvonne.
    »Wir waren in dem Café hier um die Ecke«, erklärt Nele. »Und die Frau am Nebentisch ist gegangen und hat ihre Handtasche liegen lassen.«
    »Und wir haben auch extralange gewartet«, fügt Henny hinzu. »Aber sie ist nicht zurückgekommen, also haben wir die Tasche mitgenommen.«
    »Geklaut!«, fiept Yvonne. »Wir hätten die Tasche im Café abgeben müssen!«
    »Dann hätten die Kellner sie eingesackt!«, erwidert Henny.
    »Ach, Quatsch! Die sahen doch supernett aus!«
    »Das hast du über diese beiden Bankräuber neulich im Fernsehen auch gesagt.«
    »Die sahen ja auch supernett aus!«
    »Die waren aber nicht supernett! Die haben sechs Leute erschossen, Yvonne!«
    »Ja, aber sonst waren das bestimmt zwei ganz Liebe! Außerdem geht es doch jetzt gar nicht darum! Es geht doch um die arme Frau! Weißt du, was für einen Stress die jetzt hat? Die muss ihre Karten sperren lassen und einen neuen Ausweis beantragen und das alles!«
    »Yvonne, das ist Louis Vuitton.« Henny zeigt auf die Handtasche. »Und zwar original, kein Fake. Die Frau ist nicht arm. Aber okay, wenn es dich beruhigt: Wir bringen die Tasche wieder zurück. Lass mich nur erst … ah, da ist es ja!«
    Henny zieht triumphierend ein kleines Portmonee hervor.
    »Du hattest Recht, Yvonne. Die Frau nagt anscheinend am Hungertuch.«
    Henny klappt ein Fach nach dem anderen auf. In einem wird sie anscheinend fündig, denn sie pfeift kurz durch die Zähne.
    »Aber hallo!« Sie zieht ein paar Euroscheine hervor und zählt sie schnell. »Hundertfünfunddreißig, na, nicht schlecht.«
    Sie schiebt die Scheine in ihre Hosentasche.
    »Das kannst du nicht machen!«, fiept Yvonne entrüstet. »Das ist Diebstahl!«
    »Das ist Finderlohn«, entgegnet Henny.
    »Jetzt sag du doch auch mal was!«, wendet sich Yvonne an Nele. »Ich finde das echt nicht okay!«
    »Vielleicht sollten wir ein paar Scheine drinlassen?«, schlägt Nele vor. »Dann merkt sie’s vielleicht gar nicht.«
    »Na gut«, seufzt Henny. »Von mir aus.«
    Sie zieht die Scheine wieder aus ihrer Hose, nimmt einen Zehner und einen Fünfer und steckt sie zurück in die Brieftasche.
    »Das muss reichen.«
    »Jonas! Seba!« Yvonne stampft mit dem Fuß auf. »Unternehmt doch was! Das ist doch nicht richtig!«
    Ich hebe abwehrend die Hände. »Das ist eure Sache. Damit hab ich nichts zu tun.«
    »Also ich finde schon, dass Yvonne Recht hat«, sagt Seba. »Das ist nicht korrekt. Ihr solltet die Tasche besser komplett zurück…«
    »Hör auf hier so rumzuschleimen, Seba«, würgt Henny ihn ab und erhebt sich. »Sie lässt dich sowieso nie ran.«
    Seba wird knallrot, verständlich. Yvonne schaut ihn kurz an und wird ebenfalls rot.
    »Wie auch immer«, sagt Henny und schließt die Handtasche. »Bringen wir das Teil jetzt zurück oder werfen wir es in irgendeinen Busch?«
    »Natürlich bringen wir die Tasche zurück! Das ist ja wohl das Mindeste, wenn wir die Frau schon ausrauben.«
    Henny verdreht wieder genervt die Augen. »Okay. Ist ja gut jetzt. Wir sind höchstkriminelle Schwerverbrecher, ich hab’s kapiert. Los, bringen wir’s hinter uns.«
    Wir folgen den Mädels bis an die nächste Straßenecke, dann bleiben wir stehen und beobachten, wie sie langsam auf das Café zusteuern.
    Dort angekommen flüstern sie sich etwas zu. Das sieht nicht gerade sehr unauffällig aus. Jetzt schieben sie sich etwas näher an die Tische heran. Henny zündet sich eine Zigarette an. Das Feuerzeug fällt ihr aus der Hand und purzelt unter einen der freien Tische. Sie bückt sich danach. Wahrscheinlich legt sie jetzt die Tasche unter dem Tisch ab.
    Plötzlich ertönt lautes Geschrei. Lautes, italienisches Geschrei. Die Mädels blicken auf, ihre Köpfe drehen sich fast synchron in dieselbe Richtung. Eine zeternde Frau kommt aus der Eingangstür des Cafés gestürzt, dicht gefolgt von einem Kellner. Sie zeigt auf die Mädels und stampft schreiend auf sie zu. Die Mädels flitzen los. Reifen quietschen. Ein Auto versperrt ihnen den Weg. Auf dem Auto steht in dicken Buchstaben »Carabinieri« und es hat ein Blaulicht auf dem Dach. Drei Männer in dunkelblauen Uniformen

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