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Abschlussfahrt

Abschlussfahrt

Titel: Abschlussfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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Gemeinheit an den Kopf zu werfen.
    Der Schnurrbart fängt laut an zu lachen und klopft Seba kumpelhaft auf die Schulter. Alle anderen anwesenden Polizisten fangen ebenfalls an zu lachen. Anscheinend machen die das öfter hier. Polizeihumor.
    Die Mädels atmen erleichtert auf. Der Schnurrbart öffnet italienisch plaudernd die Handschellen und tätschelt Yvonnes Wange, die daraufhin auch wieder so etwas wie ein Lächeln zustande bringt.
    Etwa zehn Minuten später sitzen wir alle zusammen in einem Großraumtaxi in Richtung Jugendherberge. Niemand wagt es zu sprechen, denn Wuttke ist verdammt angefressen.
    »Das wird noch ein Nachspiel haben«, waren seine letzten Worte, bevor wir eingestiegen sind. .
    Henriette, Cornelia und Yvonne wurden unmittelbar nach einem Handtaschendiebstahl von der italienischen Polizei verhaftet. Aufgrund von Henriettes schauspielerischer Glanzleistung und Yvonnes leicht zu aktivierender Tränendrüse konnte eine Anzeige vermieden werden, was die Delinquentinnen jedoch nicht vor drakonischen Strafmaßnahmen seitens der Klassenführung schützen wird. Der Klassenvorstand schlägt vor, alle drei in die fünfte Klasse zurückzuversetzen und ihnen als Zeichen der Abschreckung die Haare abzurasieren und die Augenbrauen rot zu färben. Weitere Maßnahmen vorbehalten.
    Die Mädels kommen doch noch in den Knast. Wuttke verpasst ihnen Zimmerarrest und sie dürfen nur noch zum Abendessen raus, da helfen auch Yvonnes Tränen nicht mehr.
    Das Abendessen verläuft sehr, sehr eisig, die Stimmung ist mehr als gedrückt. Wuttke hält einen Vortrag, wie enttäuscht er von den Mädels ist, nicht nur als Klassenlehrer, sondern auch und besonders auf persönlicher Ebene. Am liebsten würde er sie nach Hause schicken, so groß sei die Enttäuschung. Aber da wir ja übermorgen sowieso nach Hause fahren, habe das nur wenig Sinn. Aber Strafe muss sein, also verdonnert er sie auch noch zu zwei Tagen Küchendienst.
    Nach dem Essen ziehen sich erst mal alle auf die Zimmer zurück. Wir fangen an zu saufen. Die Stimmung wird mit jeder Flasche etwas besser, nur Seba will sich einfach nicht aufmuntern lassen.
    Um kurz nach zehn steckt Dressel seinen Kopf in unser Zimmer, wir würfeln gerade.
    »Jungs!«, grinst er breit. »Pornazzi!«
    Das muss er natürlich nicht zweimal sagen. Marlon, Lars, Diego und Adrian lassen alles stehen und liegen und folgen Dressel. Nur Seba und ich bleiben zurück. Ich mache mir ein bisschen Sorgen um ihn, weil er immer trauriger in die Gegend starrt.
    »Hier«, sage ich und strecke ihm eine Flasche Tequila entgegen.
    Seba schnappt sie sich und trinkt einen großen Schluck.
    »So eine Scheiße«, seufzt er. »Ich glaube, ich habe heute echt Pluspunkte bei Yvonne gemacht.«
    »Ja und? Wieso ziehst du dann so eine Fresse?«
    »Na weil ich die Pluspunkte nicht einlösen kann. Ich bin hier und sie ist da drüben eingesperrt.«
    »Ist doch kein Problem. Dann löst du sie eben morgen ein.«
    »Dann ist es wahrscheinlich schon wieder zu spät. Pluspunkte muss man einlösen, solange sie noch frisch sind. Besonders bei Yvonne.«
    »Du meinst, bei ihr haben Pluspunkte nur eine sehr begrenzte Haltbarkeit?«
    Ich muss grinsen.
    »Genau. Die werden schneller schlecht als Joghurt auf der Heizung.«
    Der kurze Anflug eines Lächelns durchzuckt sein Gesicht, aber sofort fallen seine Mundwinkel wieder nach unten.
    Ich erhebe mich vom Boden, was doch schon schwerer fällt, als ich dachte.
    »Los, komm mit«, sage ich und strecke ihm meine Hand als Aufstehhilfe entgegen.
    »Wohin denn?«, fragt er mürrisch und rührt sich nicht.
    »Pluspunkte einlösen. Wir machen jetzt mal einen Knastbesuch. Nimm die Flasche mit.«
    »Aber Wuttke hat doch gesagt, wir dürfen die Mädels nicht besuchen«, erwidert Seba.
    »Wenn wir alles machen würden, was Wuttke sagt, wären wir dann jetzt besoffen?«
    »Punkt für dich.«
    »Den lös ich aber später ein«, antworte ich und grinse ihn an.
    »Kein Problem. Bei mir halten die ewig.«
    Wir verlassen das Zimmer und spähen vorsichtig auf den Hof. Wuttke ist nicht zu sehen.
    Seba schiebt sich die Flasche unter sein T-Shirt und wir steuern einen der Tische an, der dem Haus der Mädels am nächsten steht. Ich schnappe mir einen Stuhl und laufe weiter. Seba schnappt sich auch einen und folgt mir. Als wir um die Ecke und außer Sichtweite sind, bleiben wir stehen. Genau das dachte ich mir: Die Mädels haben die gleichen schmalen Fenster, genauso weit oben wie die bei uns. Sie sind

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