Abschlussfahrt
geschlossen.
Wir stellen die Stühle unter die Fenster und steigen drauf. Der Untergrund besteht aus einem leicht löchrigen Rasen, die ganze Angelegenheit erweist sich als etwas wacklig. Ich strecke mich vorsichtig, um durch das Fenster sehen zu können. Seba ist ein Stück kleiner als ich, und sosehr er sich auch streckt, seine Augen reichen gerade mal bis zum Fensterrahmen.
»Siehst du sie?«, fragt er aufgeregt. »Was machen sie?«
Nele liegt auf ihrem Bett und liest, Yvonne macht irgendwas mit ihren Fingernägeln und Henny tanzt mit Kopfhörern in den Ohren vor dem Spiegel, nur mit einem knappen Slip und einem engen Top bekleidet. Verdammt, sieht das sexy aus. Ich spüre jetzt schon ganz deutlich Einschlafschwierigkeiten auf mich zukommen.
»Ist es das richtige Zimmer?«, quengelt Seba neben mir.
Er versucht hochzuhüpfen, um etwas sehen zu können, wobei er fast abschmiert.
»Jetzt sag schon! Ist Yvonne da drinnen? Kannst du sie sehen?«
»Aber hallo!«, sage ich gespielt überrascht. »Das ist ja wohl mal der absolute Hammer!«
»Was?«
Seba versucht wieder zu hüpfen. »Was denn? Ich seh nichts!«
»Yvonne und Henny. Das hätte ich jetzt aber nicht gedacht. Hast du das gewusst? Die knutschen sich da drin ab. Und zwar so richtig. Scheiße, sieht das geil aus!«
»Was, echt?«
Seba startet den nächsten Hüpfversuch und stützt sich dabei auf meine Schulter. Keine gute Idee. Mein Stuhl kippt, wir verlieren beide das Gleichgewicht und purzeln auf den Rasen. Ich falle ziemlich unsanft auf den Ellenbogen, muss aber trotzdem laut loslachen.
»Ja, super«, stöhnt Seba. »Verarschen kann ich mich auch alleine.«
»Kann schon sein. Aber wenn ich das mache, ist es viel lustiger.«
Wir klettern zurück auf die Stühle. Ich klopfe an die Scheibe. Nele und Yvonne drehen mir sofort den Kopf zu, Henny hat natürlich nichts gehört und tanzt unbekümmert weiter. Eins steht fest: Diesen Anblick kriege ich so schnell nicht mehr aus dem Kopf.
Nele und Yvonne schieben eines der Betten direkt ans Fenster und klettern drauf. Inzwischen hat auch Henny gemerkt, was los ist, und klettert ebenfalls aufs Bett, ohne auch nur den geringsten Gedanken daran zu verschwenden, sich vielleicht etwas mehr anzuziehen. Yvonne öffnet das Fenster.
»Überraschung!«, rufe ich.
»Hier ist der ambulante Notdienst!«
Seba wedelt mit der Tequilaflasche.
»Ja, sehr geil!«, ruft Henny, reißt ihm sofort die Flasche aus der Hand und nimmt einen tiefen Schluck.
»Hey, lass noch was drin!«, beschwert sich Nele.
»Oh, das ist aber lieb von euch«, säuselt Yvonne.
Sie beugt sich aus dem Fenster und drückt Seba einen dicken Schmatzer auf die Wange.
»Du bist mein Held.«
Sie lächelt ihn an.
Sebas Gesicht füllt sich flächendeckend mit roten Pluspunkten.
»Ach!« Er winkt verlegen ab. »Jetzt übertreib mal nicht.«
»Doch, wirklich!« Sie streicht ihm durch die Haare. »Wie du dich diesem Gorilla entgegengestellt hast, nur um mich zu beschützen, das war ganz, ganz toll!«
Sie drückt ihm noch einen Schmatzer auf, Seba grinst selig.
»Und?«, frage ich Nele. »Sonst alles okay bei euch? Wie schmeckt der Hausarrest?«
»Es gibt Schlimmeres«, antwortet sie. »Solange wir da draußen nicht die Riesenparty verpassen. Was ist denn bei euch so los?«
»Keine Sorge«, sage ich. »Ihr verpasst überhaupt nichts. Der Rest ist gerade oben Pornazzi gucken.«
»Hey, das sollte doch geheim bleiben!«, zischt Seba.
»Zu spät.« Yvonne zwickt ihn sanft in die Wange. »Das wussten wir schon beim ersten Mal. Aber damit ist jetzt Schluss. Keine Pornazzi mehr für dich, dass das klar ist.«
»Äh … wie jetzt?«
Seba starrt sie verwirrt an.
»Na, wer braucht denn schon Pornazzi, wenn er mich hat?«, sagt sie lächelnd.
Sie nimmt seinen Kopf zwischen beide Hände und küsst ihn, nicht auf die Wange, sondern direkt und unmissverständlich und lange mitten auf den Mund. Ich könnte schwören, sein Herz explodieren zu hören.
»Na, endlich!« Henny verdreht die Augen.
»Das wurde auch Zeit«, stellt Nele grinsend fest.
Allerdings. Und ich kann es noch gar nicht richtig glauben. Diese Heldennummer scheint tatsächlich zu ziehen, alle Pluspunkte eingelöst, und zwar gründlich. Vielleicht sollte ich das auch mal irgendwann probieren. Aber jede Wette, wenn ich das nächste Mal verliebt bin und den Helden spielen will, ist mit Sicherheit gerade kein schnurrbärtiger italienischer Polizist in der Nähe, vor dem ich meine Angebetete
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