Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall
einschlafen? Der Mörder konnte erst
ungesehen ins Zimmer gelangen, als alle weg waren und ich denke, auch Hakan
konnte erst einschlafen, als der Trubel sich gelegt hat. Die Spieler kamen kurz
nach zwölf vom Essen zurück, und um halb zwei wurden sie zum Freundschaftsspiel
gefahren.«
»Kurze
Zwischenfrage, Herr Bülbül.« Schmalfuß sah eine Fluse auf seinem Knie und
wischte sie hastig fort. »Woher wissen Sie die Geschichte mit Patrik
Schleinitz, was auch immer dort passiert ist? Hatten Sie schon Gelegenheit mit
der Mannschaft zu sprechen?«
»Deshalb
kam ich ja so spät! Und deshalb sitzen die armen grün-weißen Fans noch hinter
Schloss und Riegel. Olli hat mich zurückbeordert, als die Verhöre auf dem
Revier eben losgehen und ich dolmetschen sollte. Der FIFA-Vertreter Erwin
Rippenstich tobte, war außer sich, dass Dalga angeordnet hatte, dass die
komplette Mannschaft, ja, dass alle Hotelgäste das Land bis auf weiteres nicht
verlassen dürften, denn jeder sei verdächtig, auch wenn die Grün-Weißen im Fokus
stünden. Rippenstich verlangte, dass die Mannschaft so schnell wie möglich
befragt wird, alles diskret und mit so wenigen Repressalien wie möglich, es
sollte mehr wie Kaffeeklatsch aussehen. Poppo, der auch bei Olli im Büro war,
stimmte dem zu und meinte, dass sie den Reportern alsbald die Info liefern
müssten, dass im Kader alle unschuldig und mit besten Alibis versehen seien. Außerdem
soll die Sache mit dem angemalten Körper unter dem Deckel gehalten werden, auch
wenn das, meiner Meinung nach, schier unmöglich ist. Auf Fragen sollen wir
wenig bis gar nichts antworten, offizielle Lesart wird sein, dass Hakan Hunsfos
durch Fremdeinwirkung zu Tode kam, und wenn jemand gar zu indiskret nachhakt,
wovon ich ausgehe, dass es alle Reporter tun, dann dürfen wir antworten, dass
er nach unserem Kenntnisstand von einem schweren Gegenstand am Kopf getroffen
wurde. Das hört sich dann ein bisschen so an, als gäbe es auch die Möglichkeit,
dass er gestolpert und sich aus Tollpatschigkeit ins Jenseits verbracht hat. Olli
hat mich direkt am Empfang eingesammelt und in sein Büro geschleppt, wo ich dann
drei Stunden mit all diesen Leuten und der Mannschaft geredet habe. Der Boss
hat mir nicht einmal den obligatorischen Anruf nach draußen gegönnt, Seda,
sonst hätte ich Sie selbstverständlich informiert.«
»Lassen
Sie lieber meine Socken in Ruhe, dann bin ich schon zufrieden. Und was haben
Sie rausgefunden?«
»Niemand
will Hakan heute gesehen haben. Beim Imbiss waren alle zusammen und davor war
es, wie wir gesehen haben, schlecht möglich Hakan bewusstlos zu schlagen. Bis
zur Abfahrt des Buses wäre eine Möglichkeit gewesen, da ruhten die Meisten,
aber man muss bedenken, dass im Erdgeschoss niemand außer Hakan ein
Einzelzimmer hatte.«
»Aber
man kann doch dem Mitbewohner sagen, dass man kurz frische Luft schnappt und
dann ist man in zehn Minuten wieder da. Wenn alle ausruhten, war der Flur ja
auch nicht mehr belebt.«
»Das
stimmt, es war nichts mehr los, das wissen wir, weil es doch einen gab, der zu
Hakan wollte, aber nach eigener Aussage das Zimmer dann nicht betreten hat:
Rocco Erdmann. Er sagt, dass es ihm plötzlich schäbig vorgekommen sei, den
Kumpel so alleine zu lassen. Er fand es schlimm, was Hakan mit Patrick gemacht
hatte, aber er und Hakan hatten sich schließlich immer gut verstanden. Und
jetzt kommt etwas, was mich stutzig machte.«
»Was?«,
erscholl es zweistimmig.
»Rocco
sagt, die Tür von Hakans Zimmer sei nicht offen gewesen. Auf sein
Klopfen reagierte niemand, und da ist er zurück in sein Zimmer und über die
Terrasse auf Hakans Terrasse marschiert. Die Vorhänge waren nicht zu, und er
konnte Hakan auf dem Bett liegen sehen, auf der Seite, das Gesicht der
Terrassentür zugewandt. Er schien selig zu schlummern wie ein Baby, und Rocco
ist wieder in sein Zimmer zurückgegangen.«
»Oder
er hat nicht geschlafen und war schon betäubt!«
»Die
geschlossene Tür!«
»Und
die offenen Vorhänge«, warf Kadir ein. »Denn die waren wiederum zu, so wie die
Tür, als Olli die Leiche gegen halb vier fand.«
Alle
drei schwiegen. Schließlich stand Seda auf, reckte sich und trat an die offene
Balkontür. Ein leichter Wind kam vom Meer her und kühlte ihre erhitzten Wangen.
»Seht mal, da oben, Jungs!« Sie
deutete zum Himmel. »Vollmond. Da drehen viele Leute durch.«
Ein
fahles Licht glitt über ihren Bildschirm, und Eva Ratzki sah erstaunt auf.
Vollmond, dachte sie, wie lange
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