Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall
öffnete die Badezimmertür. Ruhelos eilte er zum Balkon, warf sich gegen die
Brüstung und suchte das Gelände mit zusammengekniffenen Augen ab.
»Herr
Schmalfuß? Alles in Ordnung?«
Verwundert
trat Gesa Wohlschlegel neben Schmalfuß und forschte in seinem Gesicht.
»Da!«,
stieß er statt einer Antwort hervor und deutete zu einem der von Hecken
gesäumten Separees im Palmengarten, etwa hundert Meter von den Tennisplätzen
entfernt. Gesa folgte seinem Blick.
»Ach,
die schreckliche Saskia Haverkorn mit ihrem unerzogenen Bengel. Sie liest ihm
wieder eine der Schmonzetten vor, die sie für hohe Literatur hält. Damit der
Kleine ein wenig Bildung abbekommt. Der sitzt derweil daneben, Kopfhörer auf,
glasiger Blick. Kenne ich schon. Was ist denn in Sie gefahren, Herr Schmalfuß,
wo wollen Sie hin?«
»Ich
muss… bin untröstlich… aber Sie verstehen, ein alter Polizist, der
Jagdinstinkt, der niemals ruht… ich muss los, meine Teure, ich hoffe, wir sehen
uns beim Abendessen?«
Die
letzten Worte hörte Gesa kaum noch, denn Schmalfuß war durch die Tür
entschwunden. Die Limonade auf dem Boden hätte er ruhig noch aufwischen können,
dachte sie pikiert. Darauf läuft es mit den Männern früher oder später immer
hinaus – alles muss man selber machen!
Langsam schlenderte sie ins
Zimmer und setzte sich auf den Rand ihres Bettes. Der Pinguinstein ihrer
Tochter lehnte an der Nachttischlampe, daneben hatte sie den Eisbären von
Schmalfuß gelegt. Der Wind bauschte die Gardinen hinter ihr, doch sie bekam
davon nichts mit. Sachte berührte sie den Pinguin. Dann nahm sie den Bären,
öffnete die Schublade des Nachttischchens und schmiss den Stein achtlos, ohne
noch einmal hinzusehen, mit einem lauten Klackern hinein.
Seda
griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus.
»Oder
wollen Sie es noch einmal sehen?«, fragte sie mit belegter Stimme und räusperte
sich. Kadir antwortete nicht.
Seda,
die auf dem Fußboden an einer alten Holztruhe lehnte, die ihr als
Wohnzimmertisch diente, drehte sich um. Kadir saß vornübergebeugt auf der
Couch, die Ellenbogen auf die Knie, das Kinn auf beide Fäuste gestützt. Er war
blass und schien durch Seda hindurchzusehen, als er erwiderte:
»Sie
hatten damals Recht, Seda. Ich bin tatsächlich aus der Zeit gefallen. So etwas
hätte ich nicht für möglich gehalten.«
Seda
schob die DVD-Hüllen beiseite, als hätte sie Angst, dass aus ihnen schleimige
Tierchen kriechen könnten.
»Und
jetzt?«
»Jetzt
sollten wir uns schleunigst auf den Weg machen.«
Seda
hievte sich hoch und trat zu der winzigen Küchenzeile, die sich direkt neben
der Haustür in eine Nische quetschte.
»Ich
brauche erst mal einen Liter Wasser, um den fauligen Geschmack aus meinem Mund
zu bekommen. Sie auch?«
In
diesem Moment wummerte es an der Tür, und Seda machte einen erschrockenen Satz
nach vorne.
»Fräulein
Seda?«, klang es dumpf. »Machen Sie schnell auf!«
»Schmalfüßchen!«,
rief Seda erfreut und riss die Tür auf. »Na endlich! Wir haben Sie schon
überall gesucht, wo haben Sie Ihr Handy nur wieder gelassen?«
Schmalfuß
klopfte erstaunt seine Taschen ab, doch da fiel es ihm ein.
»Ich
war oben am Wehrturm, da wollte ich mich der Ruhe und Stille hingeben, deshalb
blieb das Telefon im Hotel zurück. Und später… nun, kein Palaver, kein
Drumherumreden, liebe Kinder, ich habe eine fürchterliche Entdeckung gemacht!«
»Wir
auch«, entgegnete Kadir trocken. Seda nickte. Schmalfuß sah von einem zur
anderen, doch dann fiel sein Blick auf die DVDs.
» Beauty and the Beast –
Reloaded ?«, fragte er erstaunt.
»Jepp«,
entgegnete Seda. »Wir haben uns die volle Dröhnung gegeben, sämtliche Episoden,
sämtliche Staffeln. Bei den meisten Folgen konnten wir glücklicherweise
fast-forwarden.«
»Wie
meinen?«
»Vorspulen«,
erklärte Kadir. »Aber dann haben wir es gefunden.«
Schmalfuß
setzte sich neben Kadir.
»Nun, meine Geschichte ist eine
andere, aber ich habe das sichere Gefühl, dass sich hier zwei lose Enden
miteinander verknüpfen werden. Meine Erkenntnis im Nachgang, junge Freunde,
zeigen Sie mir erst, was Sie zu bieten haben.«
Kapitel 14
- Abpfiff -
»Wir
haben an die Tür gedonnert und gerufen, aber sie macht nicht auf! Sandra, los,
gib mir schon eine General-Chipkarte!«
»Bist
du verrückt? Olli reißt mir den Kopf ab!«
»Sandra,
ich übernehme die Verantwortung. Wir würden Sie nicht bitten, wenn es nicht
wichtig wäre«, sagte Kadir in drängendem
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