Absender unbekannt
den Schultern und spuckte Evandro ins Gesicht.
„Jetzt hast du’s ihm aber gegeben“, bemerkte ein Beamter. „Das Schwein hatte keinen Bock, zweimal zu sterben, Rogin!“ Dann wurde das Haus von einer tiefen Stille ergriffen. Rogin blinzelte unsicher in den Flur.
Den Blick auf Evandros Leiche gerichtet, betrat Devin die Küche, das Gesicht rot vor Kälte. Oscar und Bolton folgten ihm, hielten sich aber ein paar Schritte zurück.
Devin richtete den Blick eine volle Minute lang auf die
Leiche, niemand sagte etwas. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sich jemand zu atmen traute.
„Jetzt besser?“ wandte sich Devin an Rogin.
„Wie bitte, Sergeant?“
„Geht’s Ihnen jetzt besser?“
Rogin wischte sich mit der Hand über die Hüfte. „Ich verstehe nicht, wovon Sie reden, Sir.“
„War doch ‘ne einfache Frage“, erklärte Devin. „Sie haben gerade eine Leiche getreten. Fühlen Sie sich jetzt besser?“
„Ahm…“ Rogin sah zu Boden. „Ja, schon.“
Devin nickte. „Gut“, sagte er freundlich. „Gut. Ich bin froh, dass Sie das Gefühl haben, etwas geschafft zu haben, Officer Rogin. So was ist wichtig. Was haben Sie heute Abend sonst noch geschafft?“ Rogin räusperte sich: „Ich habe den Tatort abgesichert…“ „Gut. Das ist immer gut.“
„Und ich habe, ahm…“
„.’. einen Mann auf der Veranda zusammengeschlagen“, ergänzte Devin. „Stimmt das?“
„Ich dachte, er wäre bewaffnet, Sir.“
„Kann man verstehen“, entgegnete Devin. „Sagen Sie mal, haben Sie an der Suche nach dem zweiten Schützen teilgenommen?“ „Nein, Sir. Das war…“
„Haben Sie vielleicht eine Decke für den nackten Körper von Officer Dünn besorgt?“
„Nein.“
„Nein. Nein.“ Devin schubste Evandros Leiche mit der Schuhspitze und starrte sie teilnahmslos an. „Haben Sie irgendwelche Schritte unternommen, um den Aufenthaltsort des zweiten Schützen ausfindig zu machen, haben Sie
Nachbarn befragt oder Hausdurchsuchungen vorgenommen?“ „Nein. Aber noch mal, ich…“
„Also, außer eine Leiche zu treten, einen wehrlosen Mann niederzuschlagen und ein bisschen gelbes Absperrungsband zu verkleben, haben Sie nicht viel geschafft, Officer, oder?“
Rogin starrte auf den Herd. „Nein.“
„Wie bitte?“
„Ich sagte, nein, Sir.“
Devin nickte und stieg über die Leiche, so dass er neben Rogin stand.
Im Gegensatz zu Devin war Rogin riesig und musste sich herunterbeugen, um Devin zu verstehen. Er senkte den Kopf, und Devin flüsterte ihm ins Ohr.
„Verlassen Sie diesen Tatort, Officer Rogin!“ befahl Devin. Rogin blickte ihn an.
Obwohl Devin flüsterte, konnten ihn alle in der Küche verstehen: „Solange Ihre Arme noch am Körper hängen!“
„Wir haben es verbockt“, klagte Bolton, „besser gesagt: Ich habe es verbockt.“
„Nein“, widersprach ich.
„Das ist alles meine Schuld.“
„Das ist alles Evandros Schuld“, korrigierte ich, „und die seines Partners.“
Er lehnte den Kopf nach hinten gegen die Wand von Angies Flur. „Ich war übereifrig. Sie haben einen Köder ausgelegt, und ich habe angebissen. Ich hätte Sie niemals allein lassen dürfen.“
„Sie konnten den Stromausfall doch nicht vorhersehen, Bolton!“ „Nein?“ Er hob die Hände und ließ sie dann angewidert fallen. „Bolton“, beruhigte ich ihn, „Grace ist in Sicherheit. Mae ist in Sicherheit. Phil ist in Sicherheit. Sie sind unbeteiligt. Angie und ich aber nicht.“
Ich wollte durch den Flur ins Wohnzimmer gehen.
„Kenzie!“
Ich drehte mich zu ihm um.
„Wenn Sie und Ihre Kollegin keine Unbeteiligten sind, aber auch keine Bullen, was sind Sie dann?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Zwei Idioten, die nicht halb so hart sind, wie sie dachten.“
Später, im Wohnzimmer, bemerkten wir an dem trüben grauen Licht, dass es langsam dämmerte.
„Hast du’s Theresa gesagt?“ fragte ich Devin.
Er sah aus dem Fenster. „Noch nicht. Ich fahre gleich rüber. „ „Es tut mir leid, Devin.“ Das war nicht viel, aber etwas anderes fiel mir nicht ein.
Oscar hustete in die Faust und sah zu Boden.
Devin fuhr mit dem Finger über das Fenstersims und betrachtete den Staub auf seinem Finger. „Mein Sohn ist gestern fünfzehn geworden“, stellte er fest.
Devins Exfrau Helen lebte mit ihren zwei Kindern und ihrem zweiten Ehemann, einem Kieferorthopäden, in Chicago. Helen besaß das Sorgerecht, Devin war vor zwei Jahren nach einem hässlichen Vorfall an Weihnachten das Besuchsrecht entzogen worden. „Ja? Wie geht’s Lloyd denn
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