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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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schüttelte den Kopf. „Nein. Jason hatte Angst, Diandra hatte Angst, deshalb habe ich dich angerufen.“
Ich glaubte ihm. „Eric, überleg dir bitte, ob du nicht doch mit den Agenten redest.“
„Erzählst du ihnen, was ich gesagt habe?“
Ich schüttelte den Kopf. „So was mache ich nicht. Ich erzähle ihnen, dass ich dich nicht für einen Verdächtigen
halte, aber ich glaube nicht, dass sie sich ohne Beweise überzeugen lassen.“
Er nickte und ging zur Wohnungstür zurück. „Danke, dass du vorbeigekommen bist, Patrick.“
Im Flur zögerte ich kurz. „Erzähl es ihnen, Eric!“
Er legte mir die Hand auf die Schulter und lächelte mich an, versuchte mutig auszusehen. „In der Nacht, als Jason ermordet wurde, war ich mit einem Studenten zusammen. Meinem Freund. Dessen Vater ist ein einflussreicher Staatsanwalt aus North Carolina und hochrangiges Mitglied der Christian Coalition. Was glaubst du, was der macht, wenn er das herausbekommt?“
Ich blickte auf den staubigen Teppich herunter.
„Ich kann nichts anderes als unterrichten, Patrick. Das ist mein ein und alles. Ohne das kann ich aufgeben.“
Ich sah ihn an, und es schien mir, als ob er sich schon längst aufgegeben hatte.
Auf dem Weg zum Krankenhaus hielt ich kurz beim Black Emerald an, doch war die Kneipe geschlossen. Ich blickte zu Gerrys Wohnung im ersten Stock hinauf. Die Rollläden waren heruntergelassen. Ich suchte nach Gerrys Auto, das normalerweise vor dem Haus geparkt war. Es war nicht da.
Wenn der Täter mich seit Anfang der Mordserie wirklich getroffen hatte, wie Dolquist vermutete, dann war das Feld der Verdächtigen deutlich eingeschränkt. Das FBI hielt sowohl Eric als auch Gerry für verdächtig. Und Gerry war auf jeden Fall körperlich dazu in der Lage.
Aber was für ein Motiv konnte er haben?
Ich kannte Gerry schon, solange ich lebte. Konnte er töten? Wir alle sind dazu fähig, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf. Jeder einzelne.
„Mr. Kenzie!“
Ich drehte mich um und entdeckte Agent Fields, der Abhörgeräte in den Kofferraum eines dunklen Plymouth packte. „Mr. Glynn ist sauber.“
„Wieso?“
„Wir haben sein Haus gestern Abend beobachtet. Glynn ging um eins nach oben in seine Wohnung, guckte bis drei Uhr Fernsehen und ging dann ins Bett. Wir sind die ganze Nacht geblieben, aber es hat sich nichts mehr getan. Er ist nicht unser Mann, Mr. Kenzie. Tut mir leid.“
Ich nickte, teils erleichtert, teils mit einem Schuldgefühl, dass ich Gerry überhaupt verdächtigt hatte.
Aber ein anderer Teil von mir war enttäuscht. Vielleicht hatte ich sogar gewollt, dass es Glynn war.
Nur damit es endlich vorbei war.
„Die Kugel hat großen Schaden angerichtet“, erklärte uns Dr. Barnett. „Sie hat ein Loch in die Leber gerissen, beide Nieren gestreift und ist im Dünndarm steckengeblieben. Zweimal hätten wir sie fast aufgegeben, Mr. Kenzie.“
„Wie geht es ihr jetzt?“
„Sie ist noch nicht über den Berg“, antwortete er. „Ist sie eine starke Frau? Hat sie ein starkes Herz?“
„Ja“, bestätigte ich.
„Dann hat sie eine ganz gute Chance. Mehr kann ich Ihnen im Moment leider nicht sagen.“
Nach eineinhalb Stunden im Aufwachraum wurde sie um halb neun auf die Intensivstation gebracht.
Sie sah aus, als hätte sie 25 Kilo abgenommen, ihr Körper schien im Bett zu verschwinden.
Phil und ich standen neben dem Bett, während eine Krankenschwester die Infusionen aufhängte und einen
Monitor anschaltete, der die Lebensfunktionen überwachte. „Wozu ist der denn da?“ fragte Phil. „Ich denke, sie ist jetzt okay. Oder nicht?“
„Sie hat zweimal wieder zu bluten angefangen, Mr. Dimassi. Wir überwachen sie, um aufzupassen, falls es noch mal passiert.“ Phil nahm Angies Hand in seine, sie sah so klein aus.
„Ange?“ fragte er.
„Sie wird heute den ganzen Tag schlafen“, erklärte die Krankenschwester. „Sie können jetzt nicht viel für sie tun, Mr. Dimassi.“ „Ich lasse sie nicht allein“, beharrte Phil.
Die Krankenschwester sah mich an, aber ich starrte ausdruckslos zurück.
Um zehn verließ ich die Intensivstation und entdeckte Bubba im Wartezimmer.
„Wie geht’s ihr?“
„Die Ärzte glauben, dass sie’s schafft.“
Bubba nickte.
„Ich schätze, wir wissen mehr, wenn sie aufwacht.“
„Und wann ist das?“ wollte er wissen.
„Heute nachmittag“, entgegnete ich. „Vielleicht heute Abend.“ „Kann ich irgendwas tun?“
Ich beugte mich über den Wasserspender und trank wie jemand, der gerade aus der Wüste

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