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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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hatte, dass er auf ihren Tisch zugekommen war, hatte ich geantwortet, ich brächte ihn um. Wenn er damals vor mir gestanden hätte, hätte ich das auch getan. Das war blinde Wut. Dies hier nannte man Folter.
Als ich mich ihm näherte, holte er Luft und schüttelte den Kopf, als wolle er klar werden, dann heftete er seine ausdruckslosen Augen auf mich.
Kevin foltert auch, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf. Er tötet Menschen. Es macht ihm Spaß. Er hätte kein Mitleid mit dir. Du brauchst auch keines mit ihm zu haben.
„Kevin“, sprach ich ihn an und hockte mich vor ihm auf die Knie, „dies ist ‘ne schlimme Sache. Das weißt du genau. Wenn du mir nicht sagst, was ich wissen will, spielt Bubba Spanische Inquisition mit dir.“
„Fick dich!“ brachte er mit brüchiger Stimme durch die verdrahteten Zähne hervor. „Fick dich, Kenzie, verstanden?“
„Nein, Kevin. Nein. Wenn du mir jetzt nicht hilfst, machen wir dich fertig, auf alle nur möglichen Arten. Fat Freddy hat mir freie Hand bei dir gegeben. Und bei Jack.“
Seine linke Gesichtshälfte sackte leicht ab.
„Das ist die Wahrheit, Kevin.“
„Blödsinn!“
„Glaubst du, wir wären sonst hier? Du hast zugelassen, dass auf Vincent Patrisos Enkeltochter geschossen wurde.“
„Ich hab nicht…“
Ich schüttelte den Kopf. „So sieht er es aber. Egal, was du jetzt sagst.“
Mit roten, hervorquellenden Augen schüttelte er den Kopf und sah zu mir hoch.
„Kevin“, sagte ich leise, „erzähl mir, was zwischen dem EES und Hardiman und Rugglestone vorgefallen ist. Wer ist der dritte Mann?“
„Frag doch Jack!“
„Das tue ich auch, aber zuerst frage ich dich.“
Er nickte, und die Schlinge schnitt ihm in den Hals, so dass er gurgelnde Geräusche von sich gab. Ich lockerte das Seil an seinem Adamsapfel, und er seufzte, die Augen auf den Boden gerichtet. Störrisch schüttelte er den Kopf, und ich wusste, dass er nichts sagen würde.
„Achtung!“ rief Bubba.
Kevins Augen weiteten sich, sein Hals in der Schlinge zuckte zurück, und ich trat einen Schritt zur Seite, als die Bowlingkugel immer schneller die Bahn entlanggeschossen kam, über die Splitter in dem alten Boden hüpfte und schließlich gegen Kevin Hurlihys Leiste prallte.
Er heulte auf, riss an der Schlinge, doch ich hielt ihn an den Schultern zurück, damit er sich nicht erwürgte. Tränen liefen über seine Wangen.
„Nur ein Spare!“ rief Bubba.
„Hey, Bubba“, sagte ich, „warte mal!“
Aber Bubba war schon mittendrin. Ein Bein vor das andere gekreuzt, stand er an der Abwurflinie und warf die Kugel. Sie flog in einem Bogen über die Pfeilmarkierungen und traf die Bahn mit einem kleinen Rückwärtsdrall, dann raste sie über das Holz und zerbrach Kevins linkes Knie.
„O Gott!“ jaulte Kevin und zuckte nach rechts.
„Jetzt bist du dran, Jack!“ Bubba nahm eine neue Kugel und betrat die nächste Bahn.
„Ich sterbe, Bubba.“ Jack sprach leise und resigniert, so dass Bubba kurz innehielt.
„Nicht wenn du redest, Jack“, erklärte er.
Jack sah mich an, als bemerke er mich erst jetzt. „Weißt du, was der Unterschied zwischen dir und deinem Vater ist, Patrick?“ Ich schüttelte den Kopf.
„Dein Alter hätte die Bowlingkugel selbst geworfen. Aber du, du lässt die anderen quälen, das machst du nicht selber. Du bist der letzte Dreck!“
Ich blickte ihn an und verspürte plötzlich dieselbe wahnsinnige Wut wie bei Grace zu Hause. Dieser irische Mafia-Killer, dieses Stück Scheiße, wollte mir Vorträge halten? Während Grace und Mae irgendwo in Nebraska oder sonstwo in einem FBI-Bunker hockten und Grace’ Karriere ruiniert war? Während Kara Rider gekreuzigt, Jason Warren in Einzelteile zerlegt worden war, Angie im Krankenhaus lag und Tim Dünn ausgezogen und nackt in eine Tonne gesteckt worden war?
Wochenlang hatte ich zugesehen, wie Menschen wie Evandro, sein Partner, Hardiman, Jack Rouse und Kevin Hurlihy aus Spaß Gewalt an Unschuldigen ausübten. Weil sie die Schmerzen anderer genossen. Weil sie stärker waren.
Da war ich plötzlich nicht mehr nur wütend auf Jack, Kevin oder Hardiman, sondern auf jeden Menschen, der willentlich gewalttätig wurde. Auf Menschen, die Abtreibungskliniken in die Luft jagten, Bomben in Flugzeugen hochgehen ließen, ganze Familien abschlachteten, U-Bahn-Tunnel vergasten, Geiseln erschossen und Frauen umbrachten, nur weil sie vielleicht der Frau ähnelten, die sie einst verschmäht hatte.
Alles unter dem Vorwand verletzter Gefühle. Oder ihrer

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