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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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kam.
„Ich muss unbedingt mit Fat Freddy sprechen“, sagte ich. „Okay. Warum?“
„Ich muss Jack Rouse und Kevin Hurlihy finden und ihnen ein paar Fragen stellen.“
„Ich glaube nicht, dass Freddy damit ein Problem hat.“
„Wenn sie mir nicht antworten, brauche ich die Erlaubnis, so lange auf sie zu schießen, bis sie’s mir sagen.“
Jetzt beugte sich Bubba ebenfalls über den Wasserspender und sah mich ungläubig an: „Meinst du das ernst?“
„Bubba, sag Freddy, dass ich es so oder so mache, auch ohne seine Erlaubnis.“
„Jetzt aber richtig, was?“ entgegnete er.
Phil und ich wechselten uns ab.
Wenn einer von uns zur Toilette musste oder sich etwas zu trinken holte, hielt der andere Angies Hand. Den ganzen Tag lang hielt jemand ihre Hand.
Am Mittag suchte Phil nach einer Cafeteria, und ich führte Angies Hand an meine Lippen und schloss die Augen.
Als ich sie zum ersten Mal sah, fehlten ihr die beiden oberen Schneidezähne, und ihr kurzes Haar war so fürchterlich geschnitten, dass ich sie für einen Jungen hielt. Wir waren in der Turnhalle des Little-House-Freizeitzentrums auf der East Cottage Street, einer Betreuungseinrichtung für Sechsjährige. Damals gab es in unserer Gegend noch nicht viele Horte, die nach der Schule auf die Kinder aufpassten, aber im Little House konnten die Eltern ihre Kleinen für fünf Dollar pro Woche jeden Nachmittag drei Stunden abgeben. Die Betreuer ließen die Zügel ziemlich locker, solange wir nichts kaputtmachten.
An jenem Tag lagen kastanienbraune Gymnastikbälle, orangefarbene Softbälle, harte Plastikfootbälle, Hallenhockeyschläger, Pucks und Basketbälle auf dem Boden der Turnhalle umher. Dazwischen rannten ungefähr fünfundzwanzig Sechsjährige durcheinander und schrieen wie am Spieß.
Von den Pucks waren immer zuwenig da, und ich nahm mir einen Hockeyschläger und verfolgte das kleine Kind mit dem furchtbaren Haarschnitt, das unbeholfen einen Puck an der Wand der Turnhalle entlangführte. Ich schlich mich dahinter, hob seinen Schläger mit meinem an und nahm ihm den Puck weg.
Daraufhin schubste Angie mich, schlug mir auf den Kopf und holte sich den Puck zurück.
Hier auf der Intensivstation, mit ihrer Hand an meiner Wange, war mir der Tag so präsent wie kein anderer.
Ich beugte mich vor und legte meine Wange an ihre, drückte ihre Hand fest an meine Brust und schloss die Augen.
Als Phil zurückkam, schnorrte ich eine Zigarette von ihm und ging zum Rauchen nach draußen auf den Parkplatz.
Seit sieben Jahren hatte ich nicht mehr geraucht, doch beim Anzünden roch der Tabak wie Parfüm, und der Rauch in meinen Lungen fühlte sich in der eisigen Luft sauber und rein an.
„Der Porsche da ist ein toller Schlitten“, sagte jemand rechts von mir. „‘66?“
„‘63“, erwiderte ich und drehte mich um.
Pine trug einen Kamelhaarmantel und eine bordeauxrote Baumwollhose, dazu einen schwarzen Kaschmirpullover. Die schwarzen Handschuhe saßen wie eine zweite Haut.
„Wie haben Sie den bezahlt?“ wollte er wissen.
„Ich habe eigentlich nur den Rahmen gekauft“, erklärte ich. „Die Einzelteile hab ich im Laufe der Jahre gesammelt. „
„Gehören Sie zu den Typen, die Ihr Auto mehr lieben als Frau und Kinder?“
Ich hielt ihm die Schlüssel hin. „Das ist nichts als Chrom, Blech und Gummi, Pine. Im Augenblick ist es mir vollkommen egal. Wenn Sie ihn haben wollen, bitte!“
Er schüttelte den Kopf. „Viel zu auffällig für meinen Geschmack. Ich fahre einen Honda.“
Ich zog ein zweites Mal an der Zigarette und fühlte mich sofort beschwichtigt. Vor mir begann die Luft zu tanzen.
„Auf Vincent Patrisos einzige Enkeltochter zu schießen war eine extrem uncoole Sache“, bemerkte er.
„Stimmt.“
„Mr. Constantine wurde informiert, dass zwei Herren nicht seiner Anweisung gehorcht haben, Ihnen bei Ihren Ermittlungen zu helfen.“
„Das stimmt auch.“
„Und jetzt liegt Ms. Gennaro auf der Intensivstation.“
„Ja.“
„Mr. Constantine lässt Sie wissen, dass Sie freie Hand haben, was die Identifizierung und Ergreifung des Mannes angeht, der auf Ms. Gennaro geschossen hat.“
„Freie Hand?“
„Freie Hand, Mr. Kenzie. Wenn Mr. Hurlihy und Mr. Rouse nicht mehr auftauchen sollten, versichert Mr. Constantine Ihnen, dass weder er noch seine Geschäftspartner jemals den Wunsch verspüren werden, nach ihnen zu suchen. Verstehen Sie?“
Ich nickte.
Er reichte mir eine Karte. Auf der einen Seite stand eine Adresse geschrieben: South Street 411, 4. Etage. Auf

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