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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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der anderen Seite stand eine Nummer, die ich als Bubbas Handynummer erkannte. „Treffen Sie sich dort so schnell wie möglich mit Mr. Rogowski.“ „Danke!“
Er zuckte mit den Achseln und sah auf meine Zigarette. „Sie sollten besser nicht rauchen, Mr. Kenzie.“
Er verließ den Parkplatz, und ich drückte die Zigarette aus und ging wieder hinein.
Um Viertel vor drei öffnete Angie die Augen.
„Schatz?“ fragte Phil.
Sie blinzelte und versuchte zu sprechen, doch war ihr Mund zu trocken.
Wie uns die Krankenschwester vorher angewiesen hatte, reichten wir Angie zerstoßenes Eis, aber kein Wasser. Sie nickte dankbar. „Ich bin nicht dein Schatz!“ krächzte sie. „Wie oft muss ich dir das noch sagen, Phillip?“
Phil lachte und küsste sie auf die Stirn, ich küsste sie auf die Wange, und sie schlug schwach nach uns.
Wir lehnten uns zurück.
„Wie geht es dir?“ erkundigte ich mich.
„Was für eine bekloppte Frage!“ war die Antwort.
Dr. Barnett ließ Stethoskop und Taschenlampe wieder in seine Tasche verschwinden und sagte zu Angie: „Sie werden bis morgen auf der Intensivstation bleiben, damit wir gut auf Sie aufpassen können, aber es sieht so aus, als schafften Sie es ganz gut.“ „Das tut schweineweh!“ stöhnte sie.
Er grinste. „Das denke ich mir. Die Kugel hat einen hässlichen Weg eingeschlagen, Ms. Gennaro. Wir unterhalten uns später darüber, was sie angerichtet hat. Ich kann Ihnen jetzt schon versprechen, dass es eine Menge Nahrungsmittel gibt, die Sie nie wieder essen können. Auch jede Flüssigkeit außer Wasser ist für die nächste Zeit tabu.“
„Scheiße!“ fluchte sie.
„Es gibt noch andere Dinge, in denen Sie sich einschränken müssen, aber…“
„Was ist mit…?“ Sie warf einen Blick auf Phil und mich, dann sah sie weg.
„Ja?“ fragte Barnett.
„Na ja“, meinte sie, „die Kugel ist irgendwie da unten in meinem Unterleib herumgesaust und…“
„Ihre Fortpflanzungsorgane wurden nicht in Mitleidenschaft gezogen, Ms. Gennaro.“
„Oh!“ machte sie und warf mir einen zornigen Blick zu, als sie mich lächeln sah. „Halt bloß die Schnauze, Patrick!“
Gegen fünf Uhr kam der Schmerz mit aller Macht zurück, und man spritzte ihr so viel Schmerzmittel, dass selbst ein bengalischer Tiger narkotisiert gewesen wäre.
Ich strich ihr mit der Hand über die Wange, während sie von der Droge betäubt blinzelte.
„Der auf mich geschossen hat?“ brachte sie mit schwerer Zunge hervor.
„Ja?“
„Weißt du schon, wer’s ist?“
„Nein.“
„Aber bald, oder?“
„Klar!“
„Also, dann…“
„Was?“
„Hol ihn dir, Patrick“, sagte sie. „Und mach ihn fertig!“

36
    South Street 411 war das einzige leerstehende Gebäude auf einer Strasse voller Künstlerateliers, Teppichmacher, Theaterschneider, Secondhandläden und Privatgalerien. Zwei Häuserblöcke lang SoHo-Feeling in Boston.
Das Haus war vier Stockwerke hoch und früher ein Parkhaus gewesen, als es davon noch genügend in der Stadt gab. In den späten Vierzigern wurde es verkauft, und der neue Besitzer machte es zu einem Unterhaltungskomplex für Seeleute. Im Erdgeschoss befanden sich eine Bar und Billardräume, in der ersten Etage war ein Casino und in der zweiten ein Bordell.
Fast mein ganzes Leben lang hatte das Haus leergestanden, so dass mir nie klar war, wofür der dritte Stock benutzt wurde, bis mein Porsche nun in einem uralten Autolift an den unteren dunklen Etagen vorbei nach oben fuhr und sich die Türen auf düstere, muffige Bowlingbahnen öffneten.
Von einer gewölbten Decke hingen hier und dort Lampenfassungen herunter, mehrere der Bahnen waren zu Schutthalden verkommen. In den Kugelfangrinnen lagen weiße Haufen zerbrochener Bowlingkegel, die Vorrichtungen zum Trocknen der Hände waren schon vor langer Zeit aus dem Boden gerissen und wahrscheinlich separat verkauft worden. Doch in einigen Haltern lagen noch Bowlingkugeln, und bei manchen Bahnen konnte ich unter dem Staub und Schmutz noch die Markierungen erkennen.
Wir stiegen aus dem Auto und verließen den Aufzug.
Bubba saß in einem Clubsessel neben der mittleren Bahn. Unten am Stuhl waren noch Schrauben zu sehen, irgendwo hatte er ihn aus dem Boden gerissen. Der Lederbezug war zerschlissen, aus den Löchern quoll Schaumstoff hervor und lag neben Bubbas Füssen auf dem Boden.
„Wem gehört dieser Laden?“ fragte ich.
„Freddy.“ Er nahm einen Schluck aus einer Flasche Wodka. Sein Gesicht war gerötet, die Augen leicht wässrig, so dass ich

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